Temperament den Kampf oft verschärften und die Zwietracht ver—
tieften. Leider habe man von Wien aus sich zu wenig um die Un—
garn bekümmert, nur Kaiserin Elisabeth habe die Ungarn verstanden
und sei infolgedessen von ihnen auf Händen getragen worden.
Als Beispiel für das mangelnde Verständnis und Entgegenkom-
men für ungarische Wünsche möge folgendes dienen. Szögpéni klagte
mir eines Tages über die zunehmende Reizbarkeit seiner Landsleute
wegen der dauernden Ablehnung ihrer Wünsche betreffend eigner unga-
rischer Fahnen für die ungarische Armee und die Honveds, wie sie
schon einmal zur Zeit der Kaiserin Maria Theresia bestanden hatten.
Er fragte mich, ob nicht eine Parallele zu ziehen sei mit den von
mir an die deutschen Bundeskontingente neu verliehenen Fahnen.
Ich bejahte das mit dem Bemerken, die Landesherren seien gebeten
worden, Zeichnungen ihrer früheren Fahnen einzureichen, und wenn
solche nicht vorhanden waren, seien ihnen Entwürfe vorgelegt wor-
den, in denen die Landeswappen oder die der fürstlichen Häuser, die
Landesfarben und die Monogramme der regierenden Herren Berück-
sichtigung gefunden hätten. Man könne meines Erachtens seitens
des Königs von Ungarn den ungarischen Truppen gleiches gewähren,
ohne Osterreich zu nahe zu treten. Späterhin mußte mir der Bot-
schafter zu seiner Betrübnis mitteilen, daß alle Vorstellungen und
Bemühungen in dieser Angelegenheit vollkommen ergebnislos ausge-
fallen seien.
LX.
Es war nach allem, was ich früher gesagt habe, selbstverständ-
lich, daß ich in der Atmosphäre der kraditionellen freundschaftlichen
und verwandtschaftlichen Beziehungen aufwuchs, die zwischen unserem
und dem russischen Kaiserhause seit den Befreiungskriegen bestanden.
In meiner Kindheit kam es oft vor, daß Kaiser Alexander II. auf
der Durchreise durch Berlin auch im Neuen Balais weilte, wo ihm
in dem dortigen hübschen kleinen Theater eine Vorstellung darge-
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