Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Am Tage nach der Großfährigkeitserklärung fand auf dem Platz 
vor dem Winterpalais die sogenannte „Rekruten-Verteklung“ durch 
den Zaren statt. Dieser Vorgang bot die beste Gelegenheit, einen 
Uberblick über das für die Garde bestimmte Soldatenmaterial zu 
gewinnen. Die Retkruten der Infanterie standen regimenterweise ge- 
ordnet im ersten Treffen, dahinter die der Kavallerie, im dritten die 
der Artillerie. Anwesend waren die direkten Borgesetzten, die General- 
Inspekteure und sämtliche Großfürsten sowie das Katserliche Gefolge. 
Der Gesamteindruck, den die Mannschaften auf mich machten, war 
hervorragend" es waren alles ausgesuchte Leute. Merkwürdig sahen 
die Rekruten des Grenadierregiments Paul aus, die alle Stups- 
nasen haben mußten. Die Rekruten der Chevallker-Garde und der 
Garde ä#ccheval andererseits waren besonders schön gewachsene Leute, 
bei denen mir das fast gänzliche Gehlen der Hüften auffiel, die 
weißen Koller saßen auf ihren schlanken Körpern wie angegossen. 
Als wir uns zur Verteilung auf den Platz begaben, machte der 
Zar mir gegenüber die scherzhafte Bemerkung, ich solle wohl auf- 
passen, welch ein heftiger Kampf zwischen dem Regiment Preobrashenfé, 
dem russischen Ersten Garderegiment, und der Gardeequipage der 
Elotte entbrennen werde, da jede Truppe die schönsten Leute haben 
wolle, dabek habe er zuweilen als Schiedsrichter eine schwere Rolle. 
Und in der Tat, ich wurde bald Zeuge eines solchen Kampfes. Ein 
wie eine Tanne gewachsener Mann, der berekts im Rocke des Re- 
giments Preobrashensk steckte, wurde vom Kommandeur der Garde- 
equfpage beansprucht, während der Kommandeur des Regiments 
seinerseits sich weigerte, ihn herauszugeben. Zur Unterstützung 
sprangen schließlich auf der einen Seite der Divisionskommandeur 
und der Kommandierende General ein, während auf der anderen 
Seite der Marineminister und Großadmiral Großfürst Alexei sich für 
die Gardeequpage einsetzten. Die Entscheidung, die der Zar zu treffen 
hatte, fiel schließlich zugunsten des Regiments Preobrashensk aus, zur 
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