sie solle ein großer Eisenbahnknotenpunkt werden, verließen wir den
Zug und bestiegen die Reiseschlitten. Diese sahen von außen wie
auf Kufen gesetzte Oberteile von Kaleschen aus, innen waren sie ge—
räumig und mit Bärenfellen ausgeschlagen, in die man sich se nach
Wahl mehr sitzend oder liegend einhüllte, so daß man unter dem
heruntergezogenen Verdeck wohlgeborgen war.
Die Fahrt ging durch öde und trostlose, metertief mit Schnee
bedeckte Gegend, auf einem Wege, der nach unseren Begriffen nichts
als eine aus nebeneinanderliegenden Gleisen bestehende Trift und
als Straße nur durch die zu beiden Seiten stehenden Birken mar-
kiert war. Diese Birbenalleen, die die Zarin Katharina in ganz
Rußland hatte anlegen und durch Androhung der Todesstrafe vor
dem Abholzen schützen lassen, waren sehr nützlich, da die von Schnee
bedeckte Landschaft bei Dunkelheit dem Fahrenden keinerlei Orten-
tierungspunkte bietet.
Auf dem Hofe des gewaltigen, von Erdbastionen umgebenen
Schlosses Nieswiecz empfingen mich der Kommandeur und das
Offizierkorps des im Ort garnisonierenden Dragonerregiments, dessen
Chef der Landgraf von Hessen war. Bei einem Nundgang durch
das Schloß zeigte mir der Fürst eine große Galerte von VPorträts
seiner Borfahren: die Herren waren von martialischem Aussehen,
hielten fast alle einen goldenen Streitkolben in der Hand und waren
zumeist in langen, pelzbesetzten Gewändern dargestellt. Ich konnte
mich der Bemerkung nicht enthalten, daß ich diese Bilder nicht eben
als künstlerisch übermäßig hochstehend anzusehen vermöchte. Darauf
fing der joviale Fürst an laut zu lachen, indem er sagte, er teile
durchaus mein Urteil und wolle mir die Geschichte der Bilder er-
zählen. Sein Oheim, der Generalleutnant Leo Radziwill, habe
sich einstmals einen Maler aus Grankreich verschrieben, um die stark
in Verfall geratenen Bilder wieder herzustellen. Nachdem dieser ein-
getroffen war, führte Radziwill den Künstler in den Saal und nannte
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