Besuch zu Wagen bei den in einem großen Lager zusammengezogenen
Truppen statt. Auf dem Wege dorthin wurden die Mafestäten von
den mit Befestigungsarbeiten beschäftigten Mannschaften, die Salz
und Brot überreichten, mit großem Jubel begrüßt. Bei der Ab-
fahrt liefen Hunderte von Offizteren, die Mützen schwenkend und
Hurra rufend, hinter dem Wagen her, was das Zarenpaar sichtlich
erfreute. Bon dem Nachmittagstee, der im Kreise der engeren Kaiser-
lichen Familie eingenommen wurde, ist mir noch in Erinnerung, daß
es der großen Hitge wegen saure Milch gab. Da sie ein Gericht
war, das Professor v. Lepden dem Zaren als Mittel gegen Arterto-
sklerose verordnet hatte, genoß Kaiser Alexander sie in Mengen,
die anderen Sterblichen zweifellos Unzuträglichkeiten bereitet hätten.
Abends fand zu Ehren des Namenstages des Zaren ein großer
Zapfenstreich statt, währenddessen sämtliche Festungsgeschüctze donnerten.
In der Zwischenzeit fand ich Gelegenheit, bei Unterhaltungen
unter vier Augen dem Jaren meinen Auftrag auszurichten. Seine
schließliche Antwort lautete: Wenn er Stambul haben wolle, werde
er es sich nehmen, wann es ihm gefalle, der Erlaubnis oder Zu-
stimmung des Fürsten Bismarck bedürfe er dazu nicht. Doch erklärte
er, an dem Dreikafserbündnis festhalten und damit den europätschen
Frieden wetterhin wahren zu wollen, trug mir auch herzliche Grüße
an meinen Großvater auf, überhaupt zeigte er sich persönlich sehr
freundlich. Die politischen Beobachtungen sowie die allgemeine
Stimmung gegenüber Deutschland habe ich schon in meinem ersten
Buche niedergelegt. Ich verließ Brest-Litowse mit zwei Antworten
auf Fürst Bismarcks Angebot, einer des Zaren: „Ich brauche des
Fürsten Erlaubnis nicht“, und der der Festung: „Wir sind bereit!“
Welch ein Umschwung gegen die Stimmung in Moskau im Jahre 18841!
Am Morgen des 12. September beglekiteten der Zar, die Zarin,
der Thronfolger sowie die Großfürsten Georg und Wladimir mich
zum Bahnhof, wo sie sich in der herzlichsten Weise von mir verab-
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