Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

dargelegten zweifelhaften Ausgang durch eine schriftliche Erklärung 
ab. Unser lieber Oberstabsarzt Schrader, der schon 1869 als Leibarzt 
mit in Cannes gewesen war, brach, überwältigt von soviel Tragik 
und Seelengröße, in krampfhaftes Schluchzen aus. Als wir Kinder 
dann nach dem Fortgang der Arzte, im Tiefsten erschüttert, zum 
Vater kamen und, unserer nicht mehr mächtig, in Tränen zerflossen, 
da war er es, der uns mit der stillen Heiterkeit seiner Seele zu trösten 
und aufzurichten suchte.) In sein Tagebuch aber trug er am Abend 
dieses schicksalsschweren Tages ein; Somit werde ich wohl mein 
Haus bestellen müssen. 
Meine arme Mutter zeigte sich bewunderungswürdig gefaßt. Nur 
auf einem Spaziergang mit ihr auf der staubigen Rivierastraße, von 
Neugierigen verfolgt und umspäht, erlebte ich es, daß auf einen 
Augenblick ihre mit aller Energie aufrecht erhaltene Fassung zusammen- 
brach. Fest an meinen Arm geklammerk, gewann sie erst nach ge- 
raumer Zeit ihre Selbstbeherrschung wieder. 
Rührend war auch die Sorgfalt, mit der die Kammerdiener 
Schulze und Bieke ihren kranken Herrn pflegten. Beide traten nach 
seinem Tode in meinen Dienst, und ich verlor diese treuen Männer 
erst im Laufe meines Aufenthalts in Holland durch den Tod. Ihr 
Andenken bleibt unvergessen. 
Als ich auf der Heimreise in Basel eintraf, trat plötzlich Roggen- 
bach, der in großer Sorge um meinen Bater war, in mein Eisenbahn- 
abteil. Bon Anfang an hatte gerade Noggenbach einen sehr klaren 
Blick für den Zustand meines Baters gezeigt und sich von dem eng- 
lischen Scharlatan nichts vormachen lassen. So nutzte es mir denn 
auch nichts, als ich jetzt seine Frage nach dem Krankheitsbilde 
meines Baters mit der in San Remo vereinbarten VFormel zurück- 
haltend beantwortete; unter Tränen sagte er, er wisse doch, woran 
5) Vgl. Anhang Ar. 18. 
  
22 Aus meinem Leben 337
	        
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