Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

diesen Grundsätzen habe ich im Frühfahr 1888 meine Brigade als 
erste Truppe in der Armee ausgebildet. 
Auch schaffte mein Bater, wie ich schon früher erwähnte, das 
bisher übliche Frühjahrsexerzieren im Regiment und in der Brigade 
ab. Auf meine besondere Bitte, zu der ich durch eine Betition meiner 
Brigade bewogen war, erhielt ich von meinem Vater die Genehmi- 
gung, die Brigade statt dessen im Gefecht ausbilden zu dürfen. Mein 
persönlicher Adfutant, Wasor Freiherr v. Bissing, der oft mit der 
Führung des markierten Feindes beauftragt wurde, hatte volle Frei- 
heit des Handelns, verfügte über eine Flaggenbrigade mit dem nötigen 
Führerpersonal und war ermächtigt, durch unerwartete Maßnahmen 
sowohl mir wie den einzelnen Regimentskommandeuren Gelegenheit 
zu raschen Entschlüssen zu geben. Er hat diese Aufgabe glänzend 
durchgeführt und zuweilen fast kritische Situationen herbeizuführen 
gewußt, die aber von den selbständig handelnden Kommandeuren aus- 
gezeichnet pariert wurden. Ich erlebte zu meiner Freude, daß auch 
sie trotz des alten Reglements das Gefecht durchaus nach modernen 
Grundsätzen zu führen verstanden. 
Als ich am Abend vor dem letzten Gesechtsexerzieren mit den 
Offizieren meiner Brigade bei einem Glase Bier saß, erhielt ich einen 
Brief aus Charlottenburg. Ich bekam einen heftigen Schreck, da ich 
Schlimmes befürchten mußte, eisiges Schweigen legte sich auf die 
Versammlung. Aber wer beschreibt meine Freude, als ich meinen 
Offizieren den Befehl meines Vaters vorlesen konnte: die Brigade 
habe nach Abschluß des Gefechtsexerzierens auf dem Nachhausemarsch 
vor ihm im Park von Charlottenburg vorbeizudefilieren! Ich hatte mich 
also in dem Glauben nicht geirrt, daß meinem Vater diese Truppen- 
schau Freude machen würde — er hatte meinen Vorschlag vom Vor- 
mittag angenommen!) Drek Hurras auf Katser Friedrich III. waren 
die Antwort. 
*) Bgl. Anhang c. 19. 
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