Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Noch einmal suchte mein Vater am Abend des 31. Mai das stille 
Mausoleum im Charlottenburger Park auf, um Abschied von der 
Ruhestätte des Vaters und der Großeltern zu nehmen, dann schiffte 
er sich am nächsten Tage auf der „Alexandria“ ein, die er damit 
einweihte. Meine Mutter und wir Geschwister begleiteten ihn. Es 
war rührend zu sehen, welche Freude ihm das schmucke Schiff mit 
dem hellen freundlichen Raum und die schöne Wasserfahrt bereiteten. 
So lange an das Krankenzimmer gefesselt, konnte er sich an den vom 
Sonnenschein übergossenen Havelufern, die uns so lieb und vertraut 
waren, nicht satt sehen. Beim Passieren der Pfaueninsel, die er so 
innig in sein Herz geschlossen hatte, und auf der wir so unendlich 
oft als Kinder und später auch als Erwachsene mit ihm im trauten 
Familkenkreise geweilt hatten, überkam ihn tiefe Wehmut. Langsam 
winkte er mit der Hand hinüber, und eine Träne stahl sich aus 
seinem Auge — er nahm Abschied von der lieblichen Insel und all 
den schönen Erinnerungen, die sich an sie knüpften. Dieser Anblick 
war so ergreifend, daß ich die Kommandobrücke aufsuchen mußte, 
um die mich übermannende Rührung zu verbergen. Ich stellte mich 
neben den Schiffsführer, Kapitän Beltken, dem es nicht anders als 
mir ging. Er hielt das Steuerrad fest in der Hand, starr vor sich 
in die Ferne blickend, die Zähne fest zusammengebissen, während die 
Tränen in seinen mächtigen rötlichen Seemannsbart hinabrannen. 
Im Neuen Palais bezog mein Bater die zu ebener Erde liegen- 
den Räume, die früher für meinen Großvater anläßlich seines Be- 
suches des Schrippenfestes vorbehalten waren, und die ich nachher 
während meiner ganzen Regierungszeit bewohnt habe. Bei dem 
herrlichen Wetter konnten alle Türen offen stehen, und mein Vater 
war in der Lage, seden Augenblick ins Freie zu treten, um sich an 
dem Anblick des geliebten Barks von Sanssouci, der im herrlichsten 
Blütenschmuck prangte, zu erfreuen. Er war nun an der Stätte 
seiner Sehnsucht. 
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