mählich. Wie ich sa auch in der Richtung schon zu sprechen mir erlaubt habe.
Er steht sich vortrefflich mit seinen beiden älteren Brüdern, dem Großfürsten
Wladimir und Alexel. Besonders letzterer hat sich außerordentlich zu seinem
Vorteil verändert. Seitdem er die Marineverwaltung mit ihrer schweren
Verantwortung — obwohl mit größtem Widerwillen anfänglich — über-
nommen hat, ist er viel ernster und gesetzter geworden. Ich hatte auf meiner
Fahrt nach Kronstadt die Gelegenheit, länger mit ihm zu sprechen, und deutete
er mir im Laufe des Gesprächs leichthin nur an, welche fürchterlichen Zu-
stände er bei der Ubernahme vorgefunden, auch war er beim Umgang in
Kronstadt sehr gut versiert in den verschiedenen Ressorts, und gab er mit der
größten Hiebenswürdigkeit und Offenheit sedweden erbetenen Bescheid.
Der Großfürst Wladimir giöbt sich viel mit den unter ihm stehenden
Truppen ab, ist gut zu Hause in allem, so das Reglement und die militärische
Organisation betrifft. Doch höre ich, soll er das alles mehr aus Pflichtgefühl als
aus Passion tun. Wie auch der größte Teil der anderen dienenden Großfürsten.
Der „furor militaris“, der bei uns in der Familie traditionell und selbst-
verständlich ist, scheint ihnen sedoch nicht inne zu wohnen. Nicht minder herz-
lich ist das Berhältnis des Kaisers zu seinen beiden Oheimen, die beide
stramm zu uns halten. Oie einzige Gefahr ist, daß im Gefolge des Kaisers
oder auch aus dem größeren Kreise der Bekannten, eine Persönlichkeit mit
Geschick ihm feindselige Einflüsterungen machen könnte. Dagegen, glaube
ich, müßte wohl die Haupttätigkeit unserer Diplomaten gerichtet sein.
Der Großfürst Sergius nimmt eine besonders seit letzter Zeit isolierte
Stellung in der Familie ein. Er ist stets einsilbig, macht fortwährend ein
mißvergnügtes Gesicht und ist der einzige, der mir gegenüber nie über die
kälteste Oöflichkeit hinübergekommen ist.
Die kleine Elisabeth von Altenburg hatte durch die bekannte Berweige-
rung des Kreuzkusses die gesamte Familie arg verschnupft, und sind die letzten
Uberreste dieses Gefühls noch nicht so ganz verschwunden. Ich hatte die Ge-
legenheit, mit ihr darüber zu reden, und gab sie mir zu, daß sie doch eine
Dummhett begangen habe, allerdings durch kurzsichtige Gelstliche zu Haus
falsch instruiert, und auch aus Furcht, zum Ubertritt gezwungen zu werden.
Ich beruhigte sie über den letzten Punkt und wies sie auf das Beispiel der
Großfürstin Wladimir hin, die ja auch nicht übergetreten sei. Letztere wirkt
anwteglüh für die deutsche Sache und ist sehr beliebt in und außer der
amilie.
Was die Stellung von Werder betrifft, so ist es nicht leicht, sich ein
klares Bild von ihr zu machen. Jedenfalls ist sie nicht mehr so wie früher.
Der Kaiser ist zwar sehr höflich und freundlich für ihn, doch zieht er ihn nie
besonders vor anderen zu sich heran, noch bespricht er irgendwelche Fragen
von Wichtigkeit mit ihm, so daß er doch den Eindruck macht, als ob er etwas
überflüssig hier wäre und General v. Schweinitz ganz genüge. Belde sind
382