Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Der Kaiser habe vorgestern, als er zum Vortrag bel ihm gewesen sei, ihn 
gar nicht zum Vortragen kommen lassen, sondern habe lange und lebendig 
über meine Konversation von neulich — in meinem 2. Bericht enthalten — 
mit ihm gesprochen, und zwar in so erfreuter Weise, daß er ganz erstaunt 
gewesen sei. Aber damit sek es noch nicht genug gewesen, seit Se. Mazestät 
auf dem Thron sitze, habe derselbe noch nie anders als abfällig von Oster- 
reich gesprochen, geschweige denn von einem Bündnis mit dem Reiche. 
Gestern habe der Kaiser zum ersten Male seit seinem Regierungsantritt das 
Wort „drei“ in bezug auf die Freundschaft der Monarchen ausgesprochen 
und erklärt, ich hätte ihm das besonders anschaulich gemacht durch ein Sym- 
bol, daß die drei Katserreiche als dreiseitiges Bastion gegen die heranstür- 
menden Wellen der Anarchie und liberalisierenden Demokratie zusammen- 
stehen müßten. Ein Ausdruck, dessen sich der Fürst-Neichskanzler mir gegen- 
über bediente in meiner letzten Unterredung, und der mir so prägnant schien, 
daß ich ihn weiter zu verwerten beschloß. Nun, er scheint seine Aufgabe 
vollkommen gelöst zu haben. Gerade dieses Beispiel, sagte Herr v. Giers, habe 
dem Kaiser außerordentlich gefallen und habe er also, dadurch bewogen, zum 
ersten Male von einer Freundschaft und Zusammengehen der „Dreikaiser- 
reiche“ gesprochen. Früher sei immer nur von uns und Nußland allein die 
Rede gewesen, ohne daß man dem Kaiser — von Osterreich habe reden 
dürfen. Uberhaupt, habe dann Herr v. Giers geschlossen, sei ex abrupto der 
Kaiser so frei und aufgeknöpft geworden, wie er ihn noch nie gesehen habe. 
Wenn diese plötzliche, so erfreuliche Umänderung wirklich zum Teil ein Er- 
folg meiner Bemühungen sein sollte, dann würde ich wirklich von Herzen 
mich freuen, denn es wäre mir dann gelungen, Deinen Allerhöchsten In- 
tentionen zum Wohle des Baterlandes zu entsprechen. Der Kaiser hat auch 
öffentlich Zeichen seiner besonderen Huld und Freundschaft für uns gegeben. 
So z. B. am großen Diner für den Thronfolger hatte er Befehl ge- 
geben, daß alle Großfürsten, welche den Schwarzen Adler besäßen, ihn an- 
legen müßten, und trug er ihn selbst auch bei der Gelegenheit. Sodann 
gestern in Gatschina beim Regimentsfest der Kürassiere der Katserin, brachte 
er erst das Wohl derselben aus, sodann der Oberst das des Kaisers, worauf 
derselbe nochmals das Glas ergriff und das gesamte Regiment aufforderte,. 
auf mein Wohl zu krinken, ich war so überrascht und von Rührung über- 
mannt, daß ich wie gebannt einen Augenblick dastand, und ehe ich mich er- 
holen konnte, schrikt der Kaiser auf mich zu und drückte mir in herzlichster 
Welse die Hand. 
Aus allen diesen Zeichen glaube ich bestimmt behaupten zu können, daß 
er an mir wirklich Gefallen gefunden und offen Beweise treuer Freundschaft 
gegeben hat, was mich mit freudigstem Dank erfüllt. 
Wilhelm Prinz von Preußen. 
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