Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

des Kanzlers nicht vertrugen. Große Berdienste hat Hinzpeter sich 
auch um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Hebung der BPhilo- 
logen erworben, die khm der Stand der akademisch gebildeten Hehrer 
nicht vergessen sollte. Ich konnte seine vielfachen Verdienste noch 
dadurch anerkennen, daß ich ihn zum Professor und zum Wirklichen 
Geheimen Rat machte. 
Aber diese äußerlichen Ehrungen haben mir nicht das Bewußt- 
sein gegeben, daß damst meine Dankesschuld abgetragen sei. Was 
wir unseren Eltern und Erziehern verdanken, läßt sich überhaupt 
nicht vergelten. 6„% 
In den ersten vier Jahren des Unterrichts durch Hinzpeter krieb 
ich vornehmlich Latein, Rechnen, Geschichte und Erdkunde. Latein 
habe ich nicht ungern gelernt, das gute Gedächtnis, mit dem die 
Natur mich ausgestattet hat, erleichterte mir wesentlich die Aneignung 
dieser Sprache. Mein Lieblingsfach war von Jugend auf Geschichte, 
oder vielmehr zuerst die griechische Sagenwelt. In meinem „Lebens- 
lauf’ finden sich darüber die bezeichnenden Worte: Von früher Zeit 
an liebte ich besonders die Geschichte der griechischen Heroen, vor- 
züglich die des Trofanischen Krieges, indem mir vor allem Achilleus 
tiefen Eindruck machte und mir lieb war.? Aus dieser Zeit schon 
stammt meine große Llebe zum klassischen Altertum, die sich später 
in archologischen Meigungen offenbarte, und die mir bis auf den 
heutigen Tag geblieben ist. Daneben entwickelte sich schon in diesen 
Jahren für die deutsche Geschichte ein geradezu leidenschaftliches 
Interesse bei mir, das durch die Ereignisse des großen Jahres 1870 
nur bestärkt werden konnte. Geringe AMeigung und Veranlagung 
brachte ich hingegen den Fächern Rechnen und Mathematik ent- 
gegen, meine Begabung war hierfür nur schwach entwickelt. Ich 
habe wohl gelernt, was gelernt werden mußte, aber ich bin über 
den Durchschnitt nicht hinausgekommen. 
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