Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Mit dem Einzug des 3. Hessischen Infanterieregiments Nr. 83 
und des 14. Husarenreglments in Kassel, den ich zu Pferde mit- 
machte, schlossen für mich die unvergeßlichen Erlebnisse des großen 
Jahres 1870//1 ab. 
VI. 
&Im Spätsommer desselben Jahres (1871) kam ich mit der 
Gamilie zusammen nach Wilhelmshöhe und somit zum ersten Male 
nach Kassel). Hier begann ich meine griechischen Studten, ich 
machte auch hier mit meinem Vater den Einzug des Hessischen Korps 
in Kassel mit, bei welchem mich der Jubel der Bevölkerung mit be- 
sonderer Freude erfüllte. Von Wilhelmshöhe reisten wir nach Wies- 
baden, wo wir uns noch einen Monat aufhielten. Hier setzte ich 
mein Studium der griechischen Sprache fort und, obwohl es damals 
nur griechische Grammatik (Franke) war, die ich trieb, so gefiel mir 
damals schon die griechische Sprache viel besser als die lateinische. 
Ich kam auch so weit, daß ich schon in einem Ubungsbuche (Jacobs) 
übersetzen konnte. 
Von Wiesbaden zurückgekehrt, begann ich den Ovid zu lesen — 
bis dahin hatte ich alle sieben Bücher von Cäsars Bellum Gallicum 
gelesen —, allein ich fand ihn etwas sehr bindlich und naiv in seinen 
Vorstellungen und Gleichnissen, besonders bei Bhaethons Luftfahrt. 
Ich hatte den Cäsar viel lieber, well seine Beschreibungen (Rhein- 
brücke, Waffen der Germanen, Uberfahrt nach Britannien und Be- 
lagerung von Alesta) und Schilderungen von Schlachten und Ge- 
fechten für mich viel packender und interessanter waren, als der ganze 
Ovid zusammengenommen, nur eins war mir unangenehm: daß die 
Römer fast immer den Sieg behielten, die Barbaren in die Flucht 
sagten, ste in Massen töteten, selbst aber kaum einige Verwundete 
hatten. Deshalb freute ich mich, wenn ich las, daß irgendwo die 
  
*) Dies und das Folgende nach meinem „Lebenslauf“. 
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