Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
334 Handwerk. VI. Buch. 
  
betreiben, und solche Gewerbetreibende, die der Regel nach weder Gesellen noch Lehr- 
linge halten, wenn in diesem Falle bei Errichtung der Znnung der Antrag darauf gerichtet 
war, diese auszuschließen. Berechtigt zum Beitritt sind u. a. Werkmeister, ferner mit 
Zustimmung der Innungsversammlung solche, die das Gewerbe fabrikmäßig betreiben, 
und die Gewerbetreibenden, die der Kegel nach weder Gesellen noch Lehrlinge halten und 
deshalb nicht in den Zwang einbezogen gewesen sind; diesen Personen ist der Austritt aus 
der Innung am Schlusse jedes Rechnungejahres gestattet. Im übrigen finden auf die 
Zwangeinnungen die Vorschriften über die freien Innungen Anwendung, aber unter 
Berücksichtigung einer Reihe von abweichenden Vorschriften. Diese beziehen sich beson- 
ders auf eine strengere Kontrolle der Vermögensverwaltung durch die Aufsichtsbehörde 
und auf die Zusammensetzung des Vorstandes und der Ausschüsse. So unterliegt der 
aufzustellende Haushaltsplan der Genehmigung der Behäörde, damit für eine zweck- 
entsprechende Berwendung der zwangsweise aufgebrachten Gelder Sicherheit geboten 
ist. Zu bemerken ist noch, daß bei Aufbringung der Kosten der Einrichtung wie der Tätig- 
keit der Zwangsinnung die Leistungsfähigkeit der einzelnen Betriebe berücksichtigt werden 
muß, während bei der freien Innung der Beitrag für alle Mitglieder gleich gehalten 
werden kann; Eintrittsgelder dürfen bei der Zwangseinnung nicht erhoben werden. 
Die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der von der Zwangsinnung getroffenen 
Einrichtungen unterliegt der behördlichen Genehmigung. Die Schließung der Zwangs-- 
innung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen durch die höhere Verwaltungs- 
behörde ausgesprochen werden. 
Die Zwangeinnungen haben vor den freien Innungen mannigfache Vorzüge 
voraus, die wohl geeignet erscheinen, ihre Tätigkeit zu einer segensreichen zu gestalten. 
Da der Ein- und Austritt nicht im Belieben des einzelnen steht, so wird der Zwangs- 
innung die Durchführung ihrer Bestimmungen wesentlich erleichtert. Sie zieht sämt- 
liche handwerksmäßigen Betriebe in ihren Kreis, auch die größeren, die sonst gewöhn- 
lich außerhalb des Znnungslebens standen; da nun die Beiträge nach der Leistungsfähig- 
keit der Mitglieder erhoben werden, so ist der Gerechtigkeit Genüge geschehen. Durch 
den bei der Zwangsinnung zu bildenden Gesellenausschuß, den Prüfungsausschuß und 
die Pflicht zur ständigen Uberwachung aller angehörigen Betriebe wird ein reges Innungs- 
leben und eine einheitliche Teilnahme an sämtlichen Einrichtungen der Innung gewähr- 
leistet. Die Zwangsinnungen müssen immer Fachinnungen oder Innungen verwandter 
Gewerbe sein; so ist in ihnen eine bessere Vertretung der Interessen des einzelnen Hand- 
werks gesichert, als in einer freien Innung. 
Innungsinspektoren. Das Handwerkergesetz bringt sodann eine Neueinrichtung 
Gesellenausschüffe. zur Aufsicht über die Mitglieder. Die Innungen sind 
nämlich befugt, durch Innungsinspektoren, Beauf- 
tragte genannt, die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften in 
den zur Innung gehörigen Betrieben zu überwachen und von der Einrichtung der 
Betriebsräume und der für die Unterkunft der Lehrlinge bestimmten Räume Kenntnis 
zu nehmen. 
  
  
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