R. Buch. Veterinärmedizin. 293
körper oder im Fleisch vorhandene Mikroorganismen die Fähigkeit besitzen, Stoffwechsel-
produkte zu erzeugen, die eine ungeheure Giftigkeit auch dem menschlichen Körper gegen-
über entfalten. Mit Zunahme der Fälschungen von Fleischnahrungemitteln und des
Verbrauchs von Fleischkonserven der verschiedensten Art hat die wissenschaftliche Forschung
alsbald auch diese berücksichtigt und wertvolle Methoden für die Erkennung und Beur-
teilung derselben geschaffen. Auch die postmortalen Zersetzungsprodukte des Fleisches
wurden eingehend studiert und zur Feststellung derselben sichere objektive Merkmale an-
gegeben. Ebenso brachte es die zunehmende Verwendung von Wildbret, Geflügel,
Fischen, Krusten- und Schaltieren mit sich, daß die tierärztliche Wissenschaft auch diesen
Fleischnahrungsmitteln ihre Aufmerksamkeit schenkte. Andererseits haben die wissenschaft-
lichen Forschungen der letzten Jahrzehnte aber auch Gewißheit darüber gebracht, daß
eine Anzahl Tierkrankheiten keine Fleischschädlichkeiten oder solche doch nur unter ge-
wissen Bedingungen in sich schließen, und nicht minder hat uns die Wissenschaft gezeigt,
wie wir verschiedene dem Fleische anhaftende Nachteile beseitigen können, so daß es zur
menschlichen Nahrung unbedenklich verwertet werden kann. So wurde in rastloser, ziel-
bewußter Arbeit in kaum drei Jahrzehnten die wissenschaftliche Fleischbeschau zu der
heutigen Höhe emporgehoben, und es erfüllt uns mit besonderem Stolze, daß gerade
deutsche Tierärzte — genannt seien u. a. Schmidt-Mühlheim, Johne, v. Östertag,
Edelmann und ihre zahlreichen Schüler — ein bedeutendes Stück dieser Arbeit geleistet
haben.
Natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß die sich häufenden Beobachtungen über
Schädigungen der menschlichen Gesundheit durch den Genuß des Fleisches kranker Tiere
hier und dort schon frühzeitig zum Erlasse gesetzlicher Bestimmungen zur Abwehr dieser
Gefahren führten. Doch blieben diese Bestrebungen zunächst vereinzelt und wandten sich
auch meistens nur gegen bestimmte Schädlichkeiten, wie Trichinen und Finnen. In erster
Linie waren es wohl die großen Städte, deren Verwaltungen erkannten, daß gewisse
hogienische Forderungen in bezug auf das Fleischergewerbe und die Fleischnahrung im
Interesse der Bewohner erfüllt werden müßten. Oiese Erwägungen führten, nament-
lich nachdem Preußen durch Gesetz vom Jahre 1868 Normen für den Schlachthausbau
aufgestellt hatte, zur Errichtung öffentlicher Schlachthäuser, deren Benutzung die Ein-
führung der allgemeinen Fleischbeschau zweifellos sehr gefördert hat. Aber es war doch
noch viel Kleinarbeit zu leisten, ehe die wissenschaftlichen Unterlagen und die in der Prazis
gewonnenen Erfahrungen ausreichten, um den Versuch der Einführung einer allgemein
verbindlichen Fleischbeschau für das ganze Deutsche Reich wagen zu können.
Eine bedeutsame Förderung erfuhren die auf eine gesetzliche Regelung der Fleisch-
beschau hinzielenden Bestrebungen durch das zielbewußte Vorgehen Sachsens in dieser
wichtigen Frage. Hier war man bereits seit Anfang der neunziger Zahre, sich stützend auf
die Erfahrungen einiger süddeutscher Staaten, insbesondere Badens, bemüht, gesetzliche
Bestimmungen zu schaffen, welche die Fleischbeschau nach modernen Grundsätzen für
das gesamte Königreich einheitlich regeln sollten; doch gelang es erst im Frühjahr 1898
ein Gesetz über die Einführung einer allgemeinen Schlachtvieh- und Fleischbeschau für
das Königreich Sachsen zustande zu bringen, das am 1. Juni 1900 in Kraft getreten ist
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