Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

56 Betrachtungen 
politische Körperschaft, wie Staat und Gemeinde erlangen können, 
gänzlich verschieden. Die Quelle jener sind das Bedürfniss, 
die Hingebung, die Liebe, dieser die Leistung, und das 
(übertragene) Recht. So ist denn auch der Umfang der 
entsprechenden Pflichten nicht derselbe. Der Vater sorgt für die 
Kinder nach Maassgabe ihrer Bedürfnisse und seiner Mitiel. 
Seine natürliche Aufgabe ist ihre Erziehung zur Selbstständig- 
keit und ihre Befähigung, durch eigene Kraft eine Stellung in 
der Gesellschaft zu behaupten, welche der seinigen entspricht, 
Die Pflicht anderer Personen, z. B. einer bestimmten Gemeinde 
gegen sie, beschränkt sich auf die Ansprüche, welche der Vater 
für sie erworben hat. 
Auch dieses an sich einfache und in den klaren Gesetzen 
der Natur wie des Rechts begründete Verhältniss ist durch eine 
fehlerhafte wirthschaflliche Entwickelung getrübt, die Beziehung 
zwischen dem Anspruch, seinem Ursprung und seiner Grenze durch 
Vermischung mit andern Gesichtspunkten verdunkelt worden. 
Hat der Arbeiter, wie wir das vorhin: auseinandersetzten, 
schon in Beziehung auf die Befriedigung seiner persönlichen 
Bedürfnisse, theils der Lohnverhältnisse, theils seiner sittlichen 
Schwäche wegen, die volle Selbstständigkeit. bisher nicht erreicht, 
so ist ihm dies noch weniger in seiner Stellung als Haupt der 
Familie gelungen. Es fehlt viel, dass er durch den Ertrag 
seiner Arbeit allein für die Bedürfnisse der ganzen Familie sorgte, 
und daneben noch Vorkehrungen für den Fall träfe, dass er 
durch den Tod oder sonst an der Erfüllung dieser Pflicht ver- 
hindert würde. Vielmehr wird bei der Gründung der Familie 
sehr häufig die Fortdauer eines regelmässigen Erwerbes 
durch die Thätigkeit der Frau ausser dem Hause mit Zu- 
versicht erwartet. Selbst von der Geburt und dem Heranwachsen 
der Kinder wird kaum eine erhebliche, mindestens keine 
dauernde Steigerung der Bedürfnisse befürchtet, vielmehr voraus- 
gesetzt, dass sie binnen Kurzem noch so viel würden gewinnen 
helfen, als sie zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse in Anspruch 
nehmen. Sonach erscheint es dem Manne ebensowenig noth- 
wendig, für den Unterhalt der Seinigen im Falle seines Todes 
zu sorgen, als er es für möglich hält, oder die Gelegenheit
	        
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