vom Asyle. 594
bige anderweitige gegen den Ausgelieferten gerichtlich vorgehen
darf: so kann auch die Furcht vor Beihülfe zu Rache und zu
Barbarei, anstatt zu einer Weltrechtsordnung, nicht abhalten.
d) Der vierte Fall.
Wenn es sich endlich von Bestrafung von Verbrechen han-
delt, welche gegen einen fremden Staat durch Men-
schen begangen wurden, welche weder ihm noch
uns als Unterthanen zur Zeit der That angehörten,
dagegen sichspäterindasdiesseitige Gebiet flüch-
teten: so kommt es vor Allem darauf an, ob solche Haud-
lungen überhaupt als rechtlich strafbare Handlungen betrachtet
werden können, oder vielmehr als feindselige Unternehmungen,
gegen welche den Bedrohten zwar Vertheidigung und den Ver-
tretern Retorsion oder Schadensersatz -Forderung, aber kein
Strafrecht zusteht. In der ersten Voraussetzung ist die Sache
ganz ähnlich zu behandeln, wie der so eben besprochene dritte
Fall. Es bedarf jedoch nicht wohl des Beweises, dass diese An-
nahme nur gerechtfertigt ist, wenn überhaupt gewisse Handlungen
schon an sich, d. h. ohne ein besonderes den Handelnden bin-
dendes Gesetz strafbar sind, wo, von wem und gegen wen immer
sie begangen werden mögen. Ist aber diese Ansicht eine un-
zulässige, so kann auch, selbstredend, unser Staat aus Gründen
einer Weltrechtsordnung nur zu einem bürgerlichen Rechtsurtheile
über den sachlichen Schaden verpflichtet sein, nicht aber zu
Strafe oder Auslieferung. Höchstens mag es sich fragen, ob
etwa, wenn ein besonderes Schutzbündniss zwischen beiden
Staaten besteht, ein Fall verlragsmässiger Hülfeleistung gegen
einen gemeinschafllichen äusseren Feind vorliegt. -— Welche von
beiden Ansichten die richtige ist, liegt allerdings im Streite; doch
scheint die Annahme einer Strafbarkeit solcher gemeinschädlicher
Handlungen weniger auf strengen .Rechisbegriffen, als auf einem
unklaren sittlichen Gefühle zu beruhen, und somit die entgegen-
geseizte den Vorzug zu verdienen. Nur in Beziehung auf See-
räuberei dürfte nach alter Gewohnheit eine Ausnahme gemacht
werden, und diese einer Strafe oder Auslieferung unterliegen,
selbst wenn sie von Fremden gegen Fremde begangen würde.