Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

574 Völkerrechtliche Lehre 
gestaltung des Völkerrechts beschleunigen, welche die verschie- 
denen grossen Aufgaben eines gesitligten Staates im Völkerleben 
als Grundlagen des Systemes und als Ausgangspunkt für die ein- 
zelne Lehre nehmen wird, anstatt der jetzigen Eintheilung nach 
Rechtsansprüchen des unabhängigen Staates oder nach der rein 
äusserlichen in Frieden und Krieg. Dass diess aber nicht etwa 
nur eine Umstellung der alten Sätze oder eine neue Formel für 
bisherige Gedanken, sondern vielmehr ein Heraustreten aus einer 
engen und selbstsüchtigen Auffassung des ganzen Staatslebens 
wäre, wird kein Sachkenner läugnen. 
Für das positive Völkerrecht wären freilich diese Be- 
reinigungen und Verbesserungen zunächst nicht maassgebend. 
Allein wenn man bedenkt, dass sich die reine Lehre in keinem 
Rechtstheile so leicht und so schnell Bahn bricht, als im Völker- 
rechle, weil sie nirgends auf die Quellen des positiven Rechtes, 
auf die Verträge nämlich und auf die Gewohnheit, so schnellen Ein- 
fluss ausüben kann: so muss der Verbesserung der philosophischen 
Lehre auch eine baldige Gültigkeit im Leben, und somit auch eine 
grosse Vereinfachung und Verbesserung der Darstellung des po- 
sitiven Rechtes in Aussicht gestellt werden. Diess aber natürlich 
um so schneller und um so durchgreifender, als die Wissenschaft 
nicht blos auf logische Durchführung eines Salzes, sondern auf 
Anerkennung und Befriedigung der wirklichen Bedürfnisse der 
Staaten ausgehen wird. 
Nächst dem Völkerrechte ist es aber vorzüglich das Straf- 
recht, welches grossen Vortheil von der Lösung der Frage zu 
erwarten hat. Es ist in der That hohe Zeit, dass man sich we- 
nigstens wissenschaftlich darüber verständigt, ob ganze Klassen 
von Handlungen einer Sirafgerichtsbarkeit des Staates unterliegen, 
ob er ganze grosse Gallungen von Menschen seinen Gesetzen 
unterordnen darf, oder nicht. Nichts ist geeigneter, die höhere 
Ansicht über Befugniss und Pflicht des Staates zur gewaltsamen 
Durchführung des Rechtes zu erschüttern, als solche grosse und 
weitgreifende Zweifel über Grundfragen. Und wie sehr muss 
die Achtung vor der Wissenschaft sinken, wenn man sieht, dass 
über solche einfache Fragen die Meinungen der berühmtesten. 
Kenner völlig auseinander laufen, sich geradezu widersprechen;
	        
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