vom Asyle. 58
gesetzte Grundsätze. — Die Aufgabe ist also, den Werth dieser
drei abweichenden Bestimmungen zu prüfen und dieselben na-
mentlich mit den Sätzen der Theorie zu vergleichen.
Was nun zuerst die Bedingungen betrifft, unter welchen
die in der zweiten Gruppe stehenden Staaten (Sardinien und
Württemberg) sich zur Bestrafung der gegen Fremde began-
genen Rechtsverletzungen verstehen, so sind dieselben: Gegen-
seitigkeit (und zwar bei Württemberg unbedingt, bei Sardinien
wenigstens bei den geringeren Verletzungen, delits) ; Strafbar-
keit der Handlung auch nach ausländischem Gesetze (bei Würt-
temberg); Milderung der eigentlich auf die betreffenden Hand-
lungen gesetzlich gelegten Strafen. — Ueber die Forderung der
Gegenseitigkeit ist bereits oben, S. 564 fg., das Nöthige bemerkt
und nachgewiesen worden, dass der Staat die unbedingte Pflicht
des Rechtsschutzes hat, und ihm also tadelnswerthes Handeln ei-
nes anderen Staates hiervon nicht entbinden kann. Etwa für
nöthig erachtete Zwangsmaassregeln und Retorsionen haben in
Anderem zu bestehen, als in Preisgebung der Rechtsordnung.
Geradezu eines verständigen Grundes entbehrt die Beschränkung
der Gegenseitigkeitsforderung auf die blossen Vergehen. Diese
mögen allenfalls ganz unbestraft bleiben, als von untergeordneter
Bedeutung für den Rechtsstand bei unverhältnissmässiger Be-
schwerlichkeit der Verfolgung; es ist aber widersinnig, die Leistung
des Kleineren abhängig zu machen von Bedingungen, während
das Grössere unbedingt vollzogen wird. — Sehr vertheidigbar
erscheint auf den ersten Blick die württembergische Bedingung,
dass eine gegen ein fremdes Recht gerichtete Handlung auch
nach dem Gesetze dieses Staates selbst mit einer Strafe bedroht
sein müsse. Wenn nämlich auch der zur Begründung des Satzes
zunächst angeführte Grund: volenti non fit injuria !) im Straf-
rechte keineswegs richtig ist: so mag für die erwähnte Forderung
allerdings angeführt werden, dass die Aufgabe des Staates nicht
darin besteht, seine eigene Rechtsordnung auch in anderen Staa-
ten zur Anwendung zu bringen, sondern vielmehr in der Unter-
stützung der fremden Ordnung in ihren gesetzlichen Bestimmungen.
1) 8. Hufnagel, Commentar, Bd. 1, S. 9.