Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

606 Ueber Begriff und Wesen 
Die Polizei ist der gordische Knoten, die dunkle Stelle 
in den staatswissenschaftlichen Büchern und mancher Verfasser 
eines Lehrgebäudes der Staatswissenschaft oder des sog. allge- 
meinen Staalsrechts ') wird sich, wenn er an jenen Gegenstand 
kam, eines unbehaglichen Gefühls von Unsicherheit und Unklar- 
heit nicht haben erwehren können. Es sind wie früherhin, so 
auch noch in dem letzten Jahrzehend Erklärungen von der Po- 
lizei in so unbestimmten Ausdrücken gegeben worden, dass Nie- 
mand daraus sich eine deutliche Vorstellung von dem Gegen- 
stande zu bilden vermochte. Was soll man sich z. B. bei dem 
Satze denken, dass die Polizeigewalt dazu bestimmt sei, „in den 
privativen und äusserlichen Verhältnissen des Staatslebens eine 
dem Staatszweck angemessene Ordnung aufzustellen und zu hand- 
haben*? Gewiss nicht mehr als bei der alten Erklärung des 
Freiherrn von Hohenthal in seinem Liber de politia, 1776; 
die Polizei sei congeries mediorum, quae universae reip. splen- 
dori alque exiernae singulorum civium felicitali inserviunt. 
Die herrschende Ungewissheit über das Wesen der Polizei isl, 
wie jede Lücke in der Erkenulniss von Staatsangelegenheiten, 
auch für die Ausübung im Leben nicht gleichgültig, sie verhin- 
dert die Gewinnung fester Grundsätze und eröffnet der Willkühr, 
der zufälligen individuellen Auffassung ein weites Feld, sie lenkt 
ferner gute geistige Kräfle von diesem ganzen Gebiete ab, in 
welchem unverkennbar weniger Fortschritte gemacht worden sind, 
als in anderen Theilen der Staatswissenschaft. Die Polizei hat 
ohnehin mit mancher Ungunst zu kämpfen, sie thut den Menschen 
oft ihrer Meinung nach zuviel, wenn sie ihre Bequemlichkeit 
durch Verbote oder Gebote stört, und doch wirft man ihr, so 
oft ein Unglück eintrilt, vor, sie habe zu wenig gethan; sie soll 
viel leisten, während man ihr die Miltel hiezu nicht vergönnt. 
1) Diese Benennung hat eine Unbestimmtheit in sich, die man vermeiden 
sollte. Das allgemeine Staatsrecht könnte ein abstraclum aus dem Staats- 
rechte der einzelnen Länder sein, ungefähr wie das gemeine deutsche Pri- 
vatrecht, — oder eine Darstellung der aus dem Wesen des Staates abge- 
leiteten rechtlichen Grundzüge, also eine spekulative oder rechtsphilosophische 
Wissenschaft, — oder auch eine Verbindung beider, indem die obersten 
Grundsätze zur Beurtheilung des positiv Gegebenen angewendet werden.
	        
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