der Polizei. 609
darstellte, sollte wie der Einzelne streng nach Sittengesetzen
regiert werden. Desshalb dachte man auch in später Zeit bei
dem Worte Politeia, Politia, Polizei vorzugsweise an Maassregeln,
welche sich auf die Sitten bezogen, und so kam es, dass neben
jenem Gebrauche dieses Ausdrucks von den eigentlichen Staats-
gelehrten eine andere Bedeutung entstand, nach welcher Polizei
mit Ordnung zusammengestellt und als eine Sittenaufsicht be-
trachtet wurde. So sagt die Reichsregimentsordnung von 1495,
„dass die Obrigkeiten sollen Ordnung und Pollucey für-
nehmen“, mit dem Nachsatze, dass die Kostspieligkeit und der
Ueberfluss aller Stände gemässigt werden sollten; Luxusgesetze
waren demnach in der Reichsgesetzgebung die älteste polizeiliche
Maassregel. In den 3 Reichspolizeiordnungen des 16. Jahrhun-
derts und den darauf folgenden zahlreichen Landespolizeiordnun-
gen. einzelner deutscher Gebiete erweiterte sich der Umfang
dessen, was man zur Polizei rechnete, mehr und mehr, und so
entstand in Deutschland, wie in England und Frankreich, der
heutige Sinn des Wortes.
Was die Polizei der modernen Staatspraxis, — man könnte
sie die positive Polizei nennen —- nicht ist, das lässt sich
leicht angeben, sie beschäftigt sich nämlich zwar wie die Justiz
und Finanz mit inneren Staatsangelegenheilen, aber mit solchen,
die nicht zu den beiden genannten Regierungszweigen gehören.
Diess ist jedoch offenbar nur eine äusserliche Bezeichnung, keine
wahre Begriffsbestimmung, die den Anforderungen der Wissen-
schaft entspräche. Seit anderthalb Jahrhunderten hat man sich
bemüht, eine gute Erklärung zu Stande zu bringen, die Zahl der
Versuche ist ansehnlich angewachsen, aber es gelang nicht. Bald
griff man zu jenen vieldeutigen, unbestimmten Ausdrücken, welche
schon im Eingange erwähnt worden sind, bald gab man Defini-
tionen, die offenbar zu eng waren, bald begnügte man sich da-
mit, nur die Haupttheile des polizeilichen Gebietes aufzuzählen ')-
Selbst Kant blieb hiebei stehen, indem er sich darauf beschränkte,
———
1) Hiezu könnte man auch den alten französischen Parlamentspräsidenten
Harley rechnen, der, als sich ihm ein neu ernannter Pariser Polizeilieutenant
vorstellte, während er gerade sehr beschäftigt war, demselben nur die Worte
sagte: Monsieur, sürele, proprete, clarte !