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von den Beschluͤssen der beiden andern, in Beziehung auf die Entschei-
dung streitig gewesener und zur naͤheren Eroͤrterung gediehener Rechts-
fragen, zu erhalten. ·
3)FallseinSenatdurchStimmenmehtheitbeschließt,voneinembisher
behaupteten Rechtsgrundsatze, oder von der durch ihn selbst, oder durch
einen andern Senat bis dahin befolgten Auslegung und Anwendung
einer gesetzlichen Vorschrift abzugehen; so ist die dadurch zweifelhaft
gewordene Rechtsfrage an das Plenum des Geheimen Ober-Tribunals
u bringen.
4) Des Plenum entscheidet darüber auf den Vortrag zweier neuen, aus
den andern Senaten gewählten Referenten, und seine Entscheidung
dient in der vorliegenden Rechtssache dem betreffenden Senate zur
Norm. Diese Entscheidung wird in das Protokollbuch des ersten Se-
nats und in sämmtliche Spruchrepertorien (§. 1.) eingetragen.
5) Sollte dieselbe Rechtsfrage in der Folge noch einmal zweifelhaft wer-
den (6. 3.) und das Plenum von seinem früheren Beschlusse abwei-
chen; so hat das Geheime Ober-Tribunal, nach vorgängiger Entschei-
dung der vorliegenden Rechtssache, dem Justizminister den Fall anzu-
zeigen und unter Beifügung eines Gesetzentwurfs und der Motive, auf
Einholung einer deklarakorischen Worschrift anzutragen.
6) Dem Plenum wird außerdem die Besugniß beigelegt, auch schon bei
der ersten Entscheidung,
a) wenn ein überwiegendes praktisches Bedürfniß dazu vorwaltet und
b) wenn es wahrnimmt, daß sich bei einem der Gerichte erster oder
zweiter Instanz eine, den Grundsätzen des Geheimen Ober-Tribu-
nals entgegenstehende Rechtsansicht festgestellt hat,
die legislative Erledigung des bestehenden Zweifels in der zu 5. be-
stimmten Weise in Antrag zu bringen.
7) Ueber jede Emscheidung des Plenums ist von demselben, unter Einrei-
chung eines Auszugs aus dem Protokollbuche und aus den Spruch-
Repertorien an den Justizminister zu berichten, dem es überlassen bleibt
von einer solchen Entscheidung dem Kammergerichte und den Ober-
Landesgerichten Mittheilung zu machen, und, wenn mehrere derselben
eine legislative Bestimmung für nothwendig oder wünschenswerth er-
achten, das Weitere deshalb in Antrag zu bringen.
8) Ueber die Ausführung ves Maßregel rücksichtlich der Form, nament-
lich wegen Anlegung der Protokollbücher und Repertorien haben Sie,
der Justizminister Mühler, mit dem Chef-Präsidenten des Geheimen
Ober-Tribunals und den Senats-Wizeprdsidemen die erforderliche Rück-
sprache zu nehmen und etwanige Schwierigkeiten auszugleichen.
Die gegenwärtige Order ist durch die Gesetzsammlung bekannt zu machen.
Teplitz, den Isten August 1836.
Friedrich Wilhelm.
An die Justizminister v. Kamptz und Mühler.
(No. 1733—1734) (No. 1734.)