Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Ad d) Exrterritoriale Personengesamtheiten 
sind Truppenkörper, detachierte Abteilungen, welche 
sich zur Besatzung oder auf dem Durchmarsch 
(Etappenrecht) in fremdem Staatsgebiet befinden. 
Ihr Auftreten im fremdem Land ist freilich ein 
ausnahmsweiser Zustand, meist auch an gewisse 
Bedingungen gebunden. Nie aber kann eine Truppe 
der Kommandogewalt ihres Kriegsherrn auch nur 
vorübergehend entrückt sein, sie wäre denn kriegs- 
gefangen oder auf neutralem Gebiet zur Waffen- 
streckung gezwungen worden. · 
Die nationalen Staatsschiffe sind auch in 
fremden Küsten und Eigengewässern von der 
Staatsgewalt des Aufenthaltsstaates befreit; die 
Handelsschiffe gelten auf offener See in allen 
Rechtsbeziehungen als schwimmende Gebietsteile 
ihres Heimatsstaates. Zu den Staatsschiffen ge- 
hören in erster Linie die Kriegsschiffe, ferner alle 
andern Schiffe, die dauernd und ausschließlich im 
Dienste des Staates verwendet werden; Post- 
schiffe, die auch den Transport von Personen und 
Frachten besorgen, nur auf Grund besonderer Ver- 
einbarung. 
Ade) Die den Gesandten zustehenden Vor- 
rechte und Befreiungen kommen den Konsuln nicht 
zu. Indessen ist die Stellung der Jurisdiktions- 
konsuln im näheren und entfernteren Orient eine 
durchaus eigenartige, auf der Geltung des Per- 
sonalitätsprinzips in den nichtchristlichen Ländern 
beruhende. Die rechtliche Grundlage dieser eigen- 
artigen Stellung liegt, abgesehen von dem Her- 
kommen, in besondern Verträgen (Kapitulationen), 
welche die christlichen Staaten mit der Türkei und 
nach diesen Mustern mit andern nichtchristlichen 
Staaten abgeschlossen haben. Sie verbürgt den 
Organen der konsularischen Gerichtsbarkeit die 
Unverletzlichkeit ihrer Person, ihrer Amtsräume, 
Fabrik — Familie. 
  
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ihrer Korrespondenz, des Archivs und eine Reihe 
von Exemtionen gegenüber den Lokalbehörden, so 
daß der konsulare Schutz in manchen Bezirken 
noch weiter reicht als sonst der gesandtschaftliche. 
Nach den Festsetzungen der Schiffahrtsakte für 
die Donaumündungen ist das administrative und 
technische Personal im Krieg und Frieden von der 
Staatsgewalt der Uferstaaten befreit, im Krieg 
außerdem neutralisiert. Zufolge der Generalakte 
der Berliner Konferenz vom 26. Febr. 1885 sind 
die Mitglieder der internationalen Kongokommis- 
sion in der Ausübung ihrer Funktionen mit dem 
Privileg der Unverletzlichkeit bekleidet. Der gleiche 
Schutz soll sich auf die Amtsräume und Archive 
der Kommission erstrecken. 
Literatur. de Heyking, De l’exterritorialité 
(Berl. 1889); Pietri, Sur la fiction d'exterritoria- 
lité (Par. 1895); Vercamer, Des franchises des 
agents diplomatiques et de Tezterritorialité 
(Brüssel-Par. 1891); Marx, Gerichtl. Exemtionen 
der Staaten, Staatshäupter u. Gesandten im Aus- 
land (1895); Beling, Die strafrechtl. Bedeutung 
der E. (1896); Hübler, Die Magistraturen des 
völkerrechtl. Verkehrs u. die E. (1900); Loening, 
Die Gerichtsbarkeit über fremde Staaten u. Sou- 
veräne (Festgabe der Universität Halle für H. Fit- 
ting, 1903); Stoerk, Art. „E.“ in Holtzendorffs 
Handbuch des Völkerrechts II; Ferguson, Juris- 
diction et exterritorialité en Chine (Brüfs. 1890); 
Feraud-Giraud, Etats et souverains, Personnel 
diplomatique et consulaire, corps de troupes 
navires devant les tribunaux étrangèeres I/I 
(Par. 1895); Art. „E.“ im Österr. Staatswörter- 
buch 1 (1905); Verhandlungen u. Arbeiten des In- 
stituts für Völkerrecht, besonders im Annuaire 
1891 u. 1895. Siehe auch die Literatur bei Art. Ge- 
sandte, Gesandtschaftsrecht u. die Handbücher über 
internat. Privat= u. Strafrecht u. Seevölkerrecht. 
[Lentner.] 
F. 
Fabrik (Begriff) s. Handwerk. 
Fabrikgesetzgebung s. Gewerbe, Gewerbe- 
ordnung und Schutzgesetzgebung, gewerbliche. 
Fabrikinspektion s. Gewerbeausfsicht. 
Fachabteilungen s. Gewerkvereine. 
Familie. I. Wesen. 1. Wortbedeutung. 
Im engsten Sinn bezeichnen wir mit Familie das 
Doppelverhältnis von Ehemann und Eheweib 
einerseits und von Eltern, Kindern und Geschwi- 
stern anderseits (Sonderfamilie). 
Im erweiterten Sinn wird das Wort gebraucht, 
um den ganzen Umfang der Beziehungen zu be- 
zeichnen, die mehrere Generationen durch Ehe und 
Abstammung verbinden (Großfamilie). 
Im weitesten Sinn genommen und zugleich im 
ersten Wortsinn (kamilia) ist Familie die Gesamt- 
heit der unter einem Dache und unter der haus- 
  
väterlichen Gewalt lebenden Personen. Ursprüng- 
lich und bei einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen 
jetzt noch deckt sich diese Wortbedeutung mit Familie 
im engsten Sinn. 
2. Begriff. Je nach dem Standpunkt ergeben 
sich verschiedene Begriffsbestimmungen, deren 
Grundlage allerdings die Auffassung der Familie 
als einer natürlichen Gesellschaft ist. Mehr 
wirtschaftlich aufgefaßt (Aristoteles, Thomas 
v. Aquin) ist die Familie eine natürliche Gesell- 
schaft und Gemeinschaft zum Zweck des täglichen 
Zusammenlebens, zur Besorgung alles dessen, was 
der Mensch täglich bedarf. Vom Rechtsstand- 
punkt aus kann man im Anschluß an das römische 
Recht die Familie umschreiben als die Gemeinschaft 
derjenigen Personen, die der hausväterlichen Ge- 
walt unterstellt sind (Cathrein, Pesch).
	        
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