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Die Durchführung der Operationen stellte an
Weiße und Farbige die höchsten Anforderungen
und war nur möglich durch die tadellose Haltung,
gute Schießausbildung und aufopfernde Pflicht-
treue der farbigen Truppe. Monatelang litt
diese hinsichtlich Unterbringung und Verpflegung
die größten Entbehrungen, da der Feind Dörfer
und Farmen zerstört hatte. Eine Handvoll un-
reifer Kassada ohne Salz, ein Trunk fauligen
Sumpfwassers bildete oft die einzige Nahrung
und pflanzte den Keim des Todes in manchen
Braven, den die feindlichen Geschosse im hinter-
listigen Buschgefecht verschont hatten. Aussichten
auf Beute, Spiel, Suff und Weiber, die üblichen
Zugmittel aller Söldner, ob weiß, ob schwarz,
waren in diesem finsteren, blutdurchtränkten Ur-
schlamm nicht zu erhoffen.
Wenn trotzdem immer neue Scharen jugend-
frischer Gestalten der Werbetrommel folgen und
die Lücken füllen, so hat dies seinen Grund in
der faszinierenden Wirkung deutscher Erziehungsart
zum Soldaten, in dem kriegerischen Geiste und
den ausgezeichneten militärischen Anlagen, welche
im Farbigen, insbesondere in den zahlreichen ein-
heimischen Stämmen der Jaunde und Bulu,
stecken.
Gerade der letztere Umstand muß aber zu
ernsten Erwägungen anregen. Wir dürfen
bei den nahen, verwandtschaftlichen Beziehungen
der eingeborenen Soldaten zu den unterworfenen
Stämmen die Möglichkeit nicht außer acht lassen,
daß letztere mit den Soldaten einmal gemeinsame
Sache gegen den Rassefeind machen, können daher
auf die Anwerbung ausländischer Söldner nicht
verzichten und müssen dafür sorgen, daß die Kom-
pagnien und vor allem auch die zu befestigenden
Stationen ausreichend mit Europäern besetzt
sind. Wir müssen auch aus diesem Grunde durch
Heranziehung moderner Verkehrsmittel, wie Tele-
graph und Eisenbahn, die Möglichkeit schaffen,
eine größere Anzahl von Europäern an
bedrohten Punkten schnell zusammen-
zuziehen.
Die vielleicht auffällig lange Dauer der
Kämpfe im Südbezirk und die Schwierigkeit ihrer
Durchführung hat verschiedene Gründe:
Die einheitliche Leitung der Expedition wurde
sehr erschwert durch den Umstand, daß dem Ex-
peditionsführer neben der militärischen Tätigkeit
noch die gesamte Verwaltung des ausgedehnten
Gebietes oblag und er sich hierin mangels geeig-
neten Personals nicht vertreten lassen konnte.
Die große Ausdehnung des Gebietes und der
Mangel an Verkehrswegen erschwerten die not-
wendige Verbindung der fechtenden Abteilungen
und den Nachschub an Verpflegung, Ausrüstung
und Munition außerordentlich. Die Beschaffung
der hierzu erforderlichen Träger stieß überall auf
die größten Schwierigkeiten und erregte auch bei
den befreundeten Stämmen böses Blut. Die
Trägerkalamität beim Ausbruch kriegerischer Ver-
wicklungen läßt die Notwendigkeit einer ständigen
Trägerkolonne bei den Kompagnien bzw. Stationen
auch in Friedenszeiten immer dringlicher er-
scheinen.
Die zur Sicherung der langen Etappenlinie
erforderlichen Posten schwächten die Gefechtskraft
der Truppe. 4
Die zu bekämpfenden Stämme sind kriege-
rischer Natur und durch ewige Streitigkeiten
untereinander kriegserfahren und im Waffenhand-
werk geübt. Diese gegenseitigen Zwistigkeiten
hinderten die Eingeborenen jedoch nicht, gegen
ihren gemeinsamen Feind, den Europäer, ge-
meinsam vorzugehen. Dazu brachte der Handel
das nötige Kriegsmaterial ins Land. Die An-
griffe der Niem bei hellem Tage auf stark be-
festigte Lager, das erbitterte Handgemenge beim
Sturm auf Bokamonene bewiesen, daß die Zeiten
vorbei sind, wo auch eine kleine Truppenabteilung
unter Europäerführung in offenem Gefecht keine
Übermacht der Feinde zu fürchten hätte. Es wäre
eine unverantwortliche Selbsttäuschung, wollte
man sich der Erkenntnis verschließen, daß die Ein-
geborenen Kameruns gelernt haben, den Europäer
mehr und mehr nach seinem wahren Werte ein-
zuschätzen, nicht aber das gottähnliche Wesen mehr
in ihm zu sehen wie früher. Dazu haben gerade
im Aufstandgebiet die widerlichen Steitigkeiten der
weißen Angestellten von Konkurrenzsirmen sehr
beigetragen. Wenn, wie es vorgekommen, ein
weißer Kaufmann einen anderen auf offener Land-
straße vor den Augen zahlreicher Eingeborener
durchprügelt, so kann das unmöglich zur Hebung
des Ansehens des Europäers beitragen.
Mit der Tatsache, daß unsere Eingeborenen
militärisch ernster zu nehmen sind als in
vergangenen Jahren, muß gerechnet werden.
Das Gelände war äußerst ungünstig. Es war
dichter Urwald, der von einer Menge von Wasser-
läufen durchschnitten wird, die zur Regenzeit über
ihre Ufer treten, das Land weit und breit über-
schwemmen und in Moräste verwandeln. Da der
Verkehr der Eingeborenen untereinander sich viel
auf den Wasserwegen in Kanus abspielt, so sind
die Wege äußerst mangelhaft und fehlen zum Teil
gänzlich.
Eine weitere Ursache der langen Dauer der
Unternehmungen ist darin zu suchen, daß einzelne
eingesetzte Truppenteile wieder zurückgezogen und
anderweitig verwendet werden mußten. So mußte
die 5. Kompagnie in ihren Bezirk, das Bululand,
zurückkehren, da man das dortige Gebiet nicht