Full text: Das Buch von unsern Kolonien.

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einer Sänfte begab er sich am 20. Juni in die von kaiserlichen Truppen 
dichtbesetzte Chinesenstadt. Da geschah das Ungeheuerliche, daß nahe 
dem Yamen ein chinesischer Sergeant auf seine Sänfte zutrat und ihn 
mit einem wohlgezielten Schuß tötete. Es geschah, wie er später aus— 
sagte, auf Befehl eines hohen militärischen Vorgesetzten. 
Der Mörder war ein Bannersoldat in voller Uniform mit Mandarin— 
hut, mit Knopf und blauer Feder, unter dem Befehl Tschung-Lis, des 
Kommandanten von Peking. Die Einnahme der Taku-Forts am 14. 
wird als Ursache des Umschwungs in den offiziellen Kreisen zu ungunsten 
der Fremden bezeichnet. 
Dem in einer anderen Säufte folgenden Dolmetscher Dr. Cordes 
gelang es, sich zu retten, da das Volk seine gewöhnliche Friedfertigkeit 
während all dieser Zeit nicht verleugnete. Er war verwundet. Auch 
auf ihn schoß das Militär. Aber der „Pöbel“ ließ ihn unbekümmert 
seines Weges eilen. 
Der im Sinne des Völkerrechts unerhörte Akt ist später durch die 
Hinrichtung des Mörders, die Hinrichtung einer Reihe hoher Würden- 
träger und die Mission des jüngeren Bruders des Kaisers nach Berlin 
gefühnt worden. 
Für die von aller Welt abgeschnittenen Fremden in Peking aber 
schwand hiernach jede Hoffnung auf Schutz seitens der chinesischen Be- 
hörden und Machthaber. Mit Ausnahme der Deutschen zogen sie sich 
am 21. Juni in die britische Gesandtschaft zurück, die mit 15 Fuß 
hohen Manern und zwei Brunnen versehen war, und schenkten der 
perfiden Weisung des Tsungli-Yamen, daß alle Fremden ohne Ausnahme 
Peking sofort verlassen sollten, keine Beachtung. Denn die Befürchtung 
war nur zu sehr gerechtfertigt, daß sie alle auf der Reise zur Küste, die 
man auf Mauleseln und Pferden hätte antreten müssen, den Boxern zum 
Opfer gefallen sein würden. 
Die Schrecken der Belagerung begannen nun im vollen Ernst. Die 
Boxer erkletterten Bäume, Mauern und Dächer. Das Militär beschoß 
die Gesandtschaften mit Granaten. Die Damen verbrachten ihre Zeit 
mit der Pflege der Kranken und Verwundeten, auch fertigten sie Sand- 
säcke für die Barrikaden. Alles Zeug, die feinsten Tisch= und Bettzeuge, 
selbst die von der Kaiserin geschenkten kostbaren Seidenstoffe wurden 
hierzu verwendet. Sturm auf Sturm wurde abgeschlagen. Heimliche 
Boten für Unsummen geworben, die Nachricht nach Tientsin bringen oder
	        
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