— 210 —
welcher alsdann von dem gesetzlichen Stellvertreter des Ersten Präsidenten voll-
zogen wird.
§. 60.
Wenn der Richter oder dessen Kurator nicht innerhalb sechs Wochen von
dem Tage der ihm in Gemäßheit der §§. 58. oder 59. gemachten Eröffnung
seine Versetzung in den Ruhestand freiwillig nachsucht, so muß, wenn es sich
um ein Mitglied eines obersten Gerichtshofes oder um den Ersten Präsidenten
eines Appellationsgerichts handelt, oder wenn in Gemäßheit des §. 59. ein Be-
schluß des obersten Gerichtshofes ergangen ist, dieser Gerichtshof, in allen
übrigen Fällen das Appellationsgericht, nachdem ihm die etwaige Gegenerklä-
rung des betreffenden Richters vorgelegt worden ist, in einer Plenarver-
sammlung darüber Beschluß fassen, ob dem Verfahren Fortgang zu geben sei
oder nicht.
§. 61.
Beschließt das Gericht die Fortsetzung des Verfahrens, so ernennt dessen
Erster Präsident einen Richter-Kommissar. Dieser hat die Thatsachen, durch
welche die Versetzung in den Ruhestand begründet werden soll, zu erörtern, die
erforderlichen Zeugen und Sachverständigen eidlich zu vernehmen, und zum
Schlusse den Richter oder dessen Kurator mit seiner Erklärung über das Er-
gebniß der Erörterung zu hören.
§. 62.
Die geschlossenen Akten werden dem Gerichte vorgelegt, welches in seiner
Plenarversammlung nach Anhörung der Staatsanwaltschaft darüber Beschluß
faßt, ob der Fall der Versetzung in den Ruhestand vorliege. Das Gericht kann
vor Abfassung dieses Beschlusses die Vorladung der Zeugen und der Sachver-
ständigen zum Zwecke ihrer mündlichen Vernehmung in der Sitzung verordnen.
Dem Gerichte steht es jederzeit zu, das Erscheinen des betheiligten Richters
unter der Warnung zu verordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Anwalt zu
seiner Vertretung nicht zugelassen wird.
§. 63.
Der Beschluß ist einem Rechtsmittel nicht unterworfen. Er wird dem
Justizminister übersandt, welcher, wenn derselbe dahin lautet, daß der Fall der
Versetzung in den Ruhestand vorliege, das Weitere zu veranlassen hat.
Redigirt im Büreou des Bundeskanzlers.
Unveränderter Abdrucks Berlin (1890), Reichsdruckerei.