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wenn er unter Mißbrauch seiner Regierungsgewalt die kompetenz-
mäßige Wirksamkeit des Reiches hemmt oder sich in Unternehmungen
einläßt, welche einen Angriff auf den Bestand oder die Verfassung des
Reiches selbst oder seiner Mitglieder darstellen. Die Verantwortlichkeit
für die Exekution kann ferner das Ministerium eines Staates treffen
wegen selbständiger Verletzung der Reichsgesetze. In diesem Falle
würden die Landesvertretungen die betreffenden Ministerien zur Ver-
antwortlichheit zu ziehen die Berechtigung haben; „denn die Bundes-
gewalt hat Rheine anderen Mittel gegen bundesgesetzwidrig handelnde
Landesminister, als diplomatische Abmahnung und, wenn diese wirkungs-
los bleibt, auf Grund eines Bundesratsbeschlusses die Exehution; diese
führt aber für das betroffene Land stets große Nachteile mit sich, und
der Landesvertretung müssen Wege offen tehen. ihr zeitig vorzubeugen
durch Anklage pflichtvergessener Minister.“) Die Verantwortlichkeit
für eine Verletzung der Bundespflicht kann endlich eine legislative
Körperschaft treffen. Verweigert sie den Gehorsam gegen ein Reichs-
gesetz, — was in verschiedener Weise geschehen Rann, 3. B. durch Ver-
sagung ihrer Mitwirhung zu einer Reichssteuer oder zu einem durch
ein Reichsgesetz den Einzelstaaten übertragenen Ausführungsgesetze oder
durch Anklage eines dem Reichsgesetze gehorchenden Ministers — so
ist es wieder Recht und Pflicht der Landesregierung, einem solchen
Gebahren mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten,
also durch Auflösung der Versammlung, durch provisorische Gesetze usw.
Mohl 2) meint, über das Recht der Regierung, einem auf Einleitung
der Ministeranklage gerichteten Beschlusse der Landesvertretung, die
sich einem Reichsgesetze widersetzt, welchem der Minister Gehorsam
leistet, die Vollziehung zu versagen, könne nicht der mindeste Zweifel
bestehen, da es eine offenbare Verhöhnung der Autorität des Reiches
wäre, jemand deshalb zur Strafe zu ziehen, weil er einem Reichs-
gesetze gehorcht. Es darf nicht auf eine Abweisung der Klage durch
das Gericht oder eine Freisprechung gezählt oder gar eine Begnadigung
in Aussicht genommen werden. Schon die Zulassung einer Verhand-
lung hierüber würde eine nicht zu duldende Verletzung des Reiches
sein. Von Justizverweigerung, Kabinetsjustiz u. dgl. zu reden, wäre
Widersinn. Die Landesgerichte, auch die Staatsgerichtshöfe sind nicht
dazu da, um den Gehorsam gegen die über ihnen und der sie schaffen-
den besonderen Staatsgewalt stehende Gesetzgebung des Reiches zu
hindern und zu bestrafen. Sofern aber diese Mittel nicht zum Ziele
führen, oder nicht zur Anwendung gebracht werden sollten, oder wenn
die betreffende Landesregierung selbst den Gehorsam verweigern sollte,
so tritt der Fall ein, daß die Reichsgewalt nach der Bestimmung des
Art. 19 Recht und pflicht hat, mit Zwangsmitteln vorzugehen. Eine
Berufung auf landesgesetzliche Bestimmungen gegenüber den Gesetzen
1) Thudichum S. 99.
*?) Mohl S. 159.
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