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langen können, wo das Reich zur Durchführung seiner Gesetze und
Verordnungen auf eine Mitwirkung des Einzelstaates angewiesen ist,
so z. B. wenn ein Einzelstaat die zum Vollzuge eines Reichsgesetzes
vom Reiche vorgeschriebene oder bedingte Erlassung eines Finanz= oder
Etatsgesetzes nicht vornimmt.
Eine Exekution kann also immer nur bei Verletzung von Bundes-
pflichten eintreten. Deshalb kann bundesunfreundliche Haltung eines
Staates für sich allein eine Exehution nicht rechtfertigen, wenn dabei
die aus seiner Gehorsamspflicht hervorgehenden Verpflichtungen gegen
das Reich gehörig erfüllt werden.
Eine Exekhution erscheint aus dem gleichen Grunde als unstatt-
haft bei Nichtausübung von Mitgliedschafts= und Bundesrechten, so-
weit sich dieselben nicht auch als Rechtspflichten qualifizieren. Art. 19
kann daher keine Anwendung finden, wenn ein Gliedstaat die Er-
nennung und Instruierung von Bevollmächtigten zum Bundesrate unter-
läßt, da eine Rechtspflicht hiezu für den Einzelstaat dem Reiche gegen-
über nicht besteht.) Aus diesem Grunde hann der Ansicht Hänels,
der eine Richtmitwirkung bei der Konstituierung des Bundesrates als
Exehutionsfall anschaut, nicht beigetreten werden. Zorn?) nimmt an,
daß bei dauernder Fernhaltung eines Einzelstaates vom Bundesrate
eine Nichterfüllung der verfassungsmäßigen Bundespflichten vorliege
und begründet seine Behauptung damit, daß die Theorie, welche dem
Bundesstaate völlig freigebe, seine Stimme im Bundesrate „ruhen“
zu lassen, zu den bedenklichsten Konsequenzen führen könnte. Dem
ist mit Seydel entgegenzuhalten, daß Konsequenzen an sich schon Rein
Beweis sind und hier vollends nicht, da sie nicht zu befürchten stehen.
Die einzige Folge des Nichtvertretenseins nennt Art. 7 Abs. 3 der
Verfassung, aus dem auch erhellt, daß es keine Beschlußfähigkeits-
ziffer für den Bundesrat gibt.
Endlich kann von einer verfassungsmäßigen Bundespflicht überall
da nicht gesprochen werden, wo die Zuständigkeit des Reichs aus-
geschlossen ist. Dieser Fall ist gegeben bei den sogenannten Sonder-
rechten d. h. Privilegien, welche einzelnen Bundesstaaten in ihrem
Verhältnisse zum Reiche zustehen. So erstreckt sich z. B. die Zuständig-
keit des Reiches zur Gesetzgebung über Heimats= und Niederlassungs-
verhältnisse, über Eisenbahnen, über Immobiliar-Feuerversicherung nicht
auf Bayern. Es wäre widersinnig da, wo das Reich lediglich ein
Vorrecht eines Gliedstaates statuieren wollte, einen Zwang zur Aus-
übung dieses Vorrechtes anzunehmen.
1) Westerkamp S. 70.
Laband I S. 220.
Andere Ansicht Hänel I, S. 447.
:) Zorn I1 S. 157.
Gleiche Ansicht Meyer S. 377.