— 32 —
Das „Bundespräsidium“ bringt die von den Bundesgliedern ge-
machten Vorschläge im Bundesrate zur Beratung. Der Kaiser als
solcher besitzt kein Antragsrecht, sondern nur der König von Preußen;
denn Art. 7 Abs. 2 a. a. O. sagt ausdrücklich: „Jedes Bundesglied
ist befugt, Vorschläge zu machen". Bundesglied ist aber nach Art. 6
nicht der Kaiser, sondern Preußen. Nach einer feststehenden Praxis
hat aber der Kaiser als solcher die Initiative zu Gesetzesentwürfen im
Bundesrate gewonnen, sie ist ihm von diesem wie vom Reichstage
stillsschweigend zugestanden worden. Während früher solche Gesetz-
entwürfe vom Reichskanzler im Namen des „Präsidiums“ eingebracht
wurden, geschieht es jetzt „im Auftrage seiner Majestät des Kaisers.“
Wenn auch eine Berechtigung für den Kaiser, durch den Reichs-
kanzler in seinem eigenen Namen den Exekutionsantrag zu stellen,
in der Reichsverfassung nicht begründet ist, so muß doch nach dieser
Uebung mit dieser Möglichkeit gerechnet werden. Es ist jedoch ganz
einerlei, ob ein Antrag im Namen des Kaisers oder als Präsidial-
antrag oder als preußischer Antrag eingebracht wird, immer ist es der
Träger der preußischen Staatsgewalt, der ihn einbringt. Sollte also
ein Untertan die Absicht haben, gegen einen Einzelstaat die Exekution
in Fluß zu bringen, sollte der Reichstag durch einen Beschluß Be-
schwerde führen gegen ein Bundesglied und eine Exehution herbei-
zuführen gesonnen sein, so wäre dieser Weg lediglich durch Inanspruch-
nahme des Kaisers oder eines Bundesgliedes zwechs Antragstellung
gangbar. Während aber, wie oben erwähnt, für den Kaiser als Hüter
und Wächter der Reichsverfassung eine Pflicht besteht, derartige Be-
schwerden vor den Bundesrat zu bringen, kann nach dem Wortlaute
des Art. 7 der Verfassung (i. v. = befugt) eine gleiche Pflicht für das
Bundesglied nicht anerkannt werden.
§ .
Ver Bundesrat als mitwirkendes Organ.
Es ist eine täglich im Leben und in der Natur zu beobachtende
Erscheinung, daß Gegensätze, je größer sie sind, umso härter aufein-
ander zu prallen pflegen. Es ist somit leicht erklärlich, daß die
Reibungsflächen, welche durch den auf vielen Gebieten obwaltenden
Interessenwiderstreit zwischen der Reichsgewalt und der Staatsgewalt
eines Gliedstaates, der Landesstaatsgewalt, entstanden sind, ein umso
fruchtbareres Feld für Meinungsdifferenzen und Ötreitigkeiten sind,
je höher auf beiden Seiten das Interesse an dem eingenommenen
Standpunkt gewertet wird. Die Wichtigkeit der entgegengesetzten
Interessen verlangt gebieterisch ein Organ, das berufen ist, alle
Meinungsverschiedenheiten zwischen Reichsgewalt und Landesstaats-
gewalt zu schlichten. Als kompetentes Organ zur Entscheidung aller
Streitfälle dieser Art ist durch den Artikel 19 der Reichsverfassung