der Bundesrat bestimmt. Jolgt ein Einzelstaat der an ihn von Reichs-
wegen ergangenen Aufforderung zur Abschaffung eines gerügten Mangels
nicht, so entspinnt sich zwischen dem Bundesrate und dem betreffenden
Gliedstaate ein Rechtsstreit darüber, ob der durch den Willen eines
Gliedstaates gegebene Tatbestand mit den kompetenzgemäßen Anord-
nungen und Einrichtungen des Reiches im Widerspruche steht oder nicht.
Der Artikel hatte in der Verfassung des norddeutschen Bundes
eine andere Gestalt; es hieß nach dem ersten gleichlautenden Satze:
„Diese Exehution ist a) in betreff militärischer Leistungen, wenn Gefahr
im Verzuge, von dem Bundesfeldherrn anzuordnen und zu vollziehen,
b) in allen anderen Fällen vom Bundesrate zu beschließen.“ Ueber
die Gründe, welche zur Aenderung dieses Artikels Anlaß gaben,
bemerkte der Präsident des Reichshanzleramtes, Staatsminister Delbrüch,
in der Hitzung des Reichstages vom 5. Dezember 1870:
„Es ist die Aenderung, die dieser Artikel 19 erfahren
hat, eine fahtisch in der Tat nicht wesentliche; die Veran-
lassung zu der Aenderung liegt hauptsächlich auf dem Gebiete
der internationalen Konvenienz.“
Es ist somit unter der Reichsverfassung die Entscheidung über
die Anordnung der Exekution in heinem Falle mehr dem Bundesfeld-
herrn, als welchen wir gemäß Artikel 64 a. a. O. den Kaiser ansehen
müssen, übertragen. Die Reichsverfassung bestimmt vielmehr ausdrüch-
lich den Bundesrat als das Organ, das in allen Fällen über die
Exekhution einzig und allein zu beschließen hat.
Heydel hatte in der ersten Auflage seines Kommentars darauf
hingewiesen, daß die Frage, ob im einzelnen Falle eine verfassungs-
mäßige Bundespflicht vorliege, zwischen dem einzelnen Bundesgliede
und den übrigen Bundesgenossen strittig sein känne und im Hinblich
darauf, daß zwar Artikel 76 der Verfassung dem Bundesrate eine
richterliche Entscheidung zuspreche, aber nicht ebenso Artikel 19, ge-
schlossen, daß man es hier mit einer Lüche in der Verfassung zu tun
habe, die der Natur der Sache nach kaum ausfüllbar sei; denn es
gehe nicht an, dem Bundesrat zugleich Richter= und Parteistellung zu
geben. ) Gegen diese Ansicht wandte sich Rönne.) Die angebliche
Lüche besteht keineswegs, sondern wird vollständig ausgefüllt durch
den Artikel 7, dessen Vorhandensein und Bestimmungen im Artikel 19
subintelligiert werden. Der Bundeesrat ist hier nicht Richter in eigener
Sache, sondern das verfassungsmäßige Organ zur Beschlußfassung über
die konkrete Oachlage. Es muß mit Seydel, der in der zweiten Auf-
lage seines Kommentars seine Ansicht über diesen Punkt modifizierte,
angenommen werden, daß sowohl die Frage, ob eine verfassungs-
mäßige Bundespflicht vorliege, als auch die, ob eine Verletzung der
1) SZeydel, Komm. 1873, S. 137.
2) Gömnnez S. 71.
Gleiche Ansicht Mohl S. 160.