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In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um das Subjekt der
Souverainität; die Souverainität bietet daher auch in denselben
Heilmittel, welche in unserem Falle, wo der rechtmäßige Souverain
an der praktischen Geltendmachung seines Rechts durchaus verhindert
ist, in der Regel unanwendbar sein werden; nichtsdestoweniger wird
eine gründliche Erörterung der uns vorliegenden Frage auch für die
Beurtheilung jener Fälle mannichfachen Anhalt gewähren.
§ 2. Theoretische und praktische Bedeutung derselben.
Die Staatsgewalt s. Souverainität ist der Centralbegriff so-
wohl des Staats= als des Völkerrechts. Beide Disciplinen haben
in erster Linie zu untersuchen, wer das Subjekt und Objekt der
Souverainität ist; daran kann sich erst im Staatsrecht die Dar-
stellung des Inhalts und der Art der Ausübung der Staatsgewalt,
im Völkerrecht die Betrachtung der rechtlichen Wechselbeziehungen
verschiedener Staaten anschließen. Ehe wir nicht nachgewiesen haben,
daß ein Staat und ein Organ desselben für ein bestimmtes Volk
und Land rechtlich bestehen, können die einzelnen Rechte und Pflichten
beider Subjekte höchstens nur hypothetisch in Betracht gezogen wer-
den. Die Lehren von dem rechtlichen Eutstehen und Untergang der
Staaten, von dem (räumlichen) Umfang ihres Herrschaftskreises, von
dem rechtlichen Erwerb und Verlust der Eigenschaft eines Staats-
organs bilden daher, in Verbindung mit der juristischen Begriffs-
bestimmung des Staats und der Staatsgewalt, den allgemeinen,
grundlegenden Theil des Staats= und des Völkerrechts. In alle
diese Lehren schlägt unsere Frage ein; aus den Principien derselben
müssen wir die Antwort entwickeln: dadurch werden wir zu einer
erneuerten Prüfung jener Principien getrieben, und wenn es uns
gelingt, eine richtige Antwort aufzustellen, so empfangen dieselben
in einer solchen Anwendung eine bedeutsame Illustration. Da wir
ferner einen thatsächlichen Zustand, der auf keinem Recht basirt,
aber in Recht verwandelt werden soll, voraussetzen, so werden wir
genöthigt, das Verhältniß des Faktums zum Recht auf dem Gebiet
des öffentlichen Rechts in unserer Erörterung besonders zu berück-
sichtigen. Endlich, da in den Fällen, welche uns beschäftigen wer-
die Anwendung der Staatsgewalt im einzelnen Fall eine rechtmäßige ist, als
einen Bestandtheil der Frage nach dem Rechtsgrund des Staats und der Staats-
gewalt auffaßt.