Anhang. Anlage Nr. 10. 237
2. Die Ausweisung darf in den Fällen des § 3 Absatz 2 des Frei-
zügigkeitsgesetzes nicht für länger als die Dauer der Aufenthalts
beschränkungen bezw. die Dauer der von der Verbüßung der letzten
Strafe wegen Bettelns oder Landstreicherei zu berechnenden zwölf
Monate verfügt werden.
3. Aus Bundesstaaten, in welchen auf Grund landesrechtlicher Be-
stimmungen bereits nach einmaliger Bestrafung wegen Bettelns
oder Landstreicherei eine Aufenthaltsbeschränkung polizeilich ver-
fügt werden kann, wird wegen einer derartigen Aufenthalts-
beschränkung eine Ausweisung nicht erfolgen.
4. Bei Ausweisungen auf Grund des § 3 Absatz 2 des Freizügigkeits-
gesetzes sind bezüglich des Verfahrens die Bestimmungen des
Gothaer Vertrages vom 15. Juli 1851 (§§ 8 bis 12) und die zur
Ausführung derselben später getroffenen Vereinbarungen zur
Anwendung zu bringen.
Bei den bezüglichen Beratungen ist diesseits an der Auffassung
festgehalten, daß auf Grund des § 3 Absatz 2 der Aufenthalt in einem
Bundesstaate — die sonstigen Erfordernisse vorausgesetzt — nur solchen
Reichsangehörigen verweigert werden kann, welche in einem anderen
Bundesstaate entweder Aufenthaltsbeschränkungen unterliegen oder
wegen wiederholten Bettelns oder wiederholter Landstreicherei bestraft
worden sind. In dieser Beziehung ist eine Verständigung im Bundes-
rate nicht zustande gekommen, vielmehr eine Verschiedenheit der Auf-
fassungen bestehen geblieben, indem einige Bundesregierungen das Er-
fordernis der in einem anderen als dem Aufenthaltsstaate verhängten
Strafe oder Aufenthaltsbeschränkung bestreiten und sich auch ohne diese
Voraussetzung zur Ausweisung nach § 3 Absatz 2 des Freizügigkeits-
gesetzes für befugt halten.
Nachdem die Verhandlungen im Bundesrat zu diesem Ergebnis
geführt haben, wird zwar grundsätzlich an der bisherigen diesseitigen
Auslegung des Gesetzes festzuhalten, indessen den durch die verschiedene
Handhabung des Gesetzes in der erwähnten Richtung geschaffenen, tat-
sächlichen Verhältnissen entsprechende Rechnung zu tragen sein, um die
aus dieser Verschiedenheit sich für uns ergebenden offenbaren Nachteile
ferner zu vermeiden. Es ist deshalb der unserer Auslegung des Gesetzes
widersprechenden Anwendung bis auf weiteres nicht mehr entgegen-
zutreten, sondern den betreffenden Bundesstaaten gegenüber in derselben
Weise tatsächlich zu verfahren, so daß also Angehörigen dieser Bundes-
staaten bei dem Zutreffen der übrigen Erfordernisse des § 3 Absatz 2 der
Aufenthalt in Preußen auch dann zu versagen ist, wenn dieselben hier
Aufenthaltsbeschränkungen unterworfen oder hier wegen wiederholten
Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden sind.