Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Erwerb der Staatsangehörigkeit. 8 8. 21 
des 21. Lebensjahres die Staatsangehörigkeit in beiden Ländern besitzen, 
innerhalb eines Jahres das Recht, für sich die eine oder die andere Natio- 
nalität zu wählen.“ 
Da hier nur von solchen Bolivianern die Rede ist, welche sowohl die 
bolivianische wie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und ihnen die Wahl 
für die eine oder die andere freigegeben wird, so kommt ein Neuerwerb der 
deutschen Staatsangehörigkeit durch Option in dem bolivianischen Vertrag 
nicht zur Erörterung. 
2. durch Aufnahme — durch Einbürgerung. 
àa) Der Entwurf zum G. vom 1. Juni 1870 hatte für die beiden Arten 
der Gewährung der Staatsangehörigkeit die einheitliche Bezeichnung, „durch 
Verleihung“ vorgeschlagen. 
Die Abänderung „durch Aufnahme bzw. Naturalisation“ ist auf An- 
trag der Abgeordneten Dr. Prosch und Gumbrecht in der dritten Beratung 
des Gesetzes erfolgt. 
In gleicher Weise ist von dem Regierungsentwurf zum vorliegenden Gesetz 
beantragt worden, daß für beide Erwerbsarten die einheitliche Bezeichnung 
„durch Aufnahme“ genüge. Der Regierungsentwurf hat diesen Vorschlag 
damit begründet, daß die Naturalisierung sich „in ihrem Wesen und in ihren 
rechtlichen Wirkungen von der Aufnahme nicht unterscheidet und weil das 
Nebeneinanderbestehen der beiden Begriffe das Verständnis nur erschwert“ 
(zu § 2 S. 21). 
Diese Begründung kann als eine stichhaltige nicht erachtet werden. Die 
beiden Erwerbsarten sind in der ganzen Aufeinanderfolge von dem Gesuch an 
bis zu dessen Gewährung oder Nichtgewährung so verschieden, daß dies am 
besten durch gesonderte Benennung gekennzeichnet wird. Die Aufnahme für 
einen Deutschen ist obligatorisch, die für einen Ausländer fakultativ. Bei 
ersterer hängt die Gewährung des Gesuches nur von dem ersuchten Bundes- 
staate ab, bei letzterer nicht allein von diesem, sondern auch von der Gemeinde, 
dem Armenverband, dem Reichskanzler und ev. sogar von dem Bundesrat. 
Die Reichstagskommission hat die Unterscheidung zwischen Aufnahme 
eines Deutschen oder eines Ausländers bestehen lassen, indem sie für die erstere 
das Wort „Aufnahme“ beibehalten, für die letztere das Wort „Einbürgerung"“ 
gewählt hat. Nach meinem Dafürhalten wäre es besser gewesen, statt des 
letzteren Wortes das alte „Naturalisation“ oder, wenn es verdeutscht sein 
soll, „Naturalisierung“ zu setzen. Die Reichstagskommission wollte ent- 
schieden dem Fremdwort „Naturalisation“ den Garaus machen. Sie hat 
allerdings in demselben Paragraphen das Fremdwort „Legitimation“ be- 
stehen lassen. Was nun das Wort „Naturalisierung“ betrifft, so ist das- 
selbe in allen zivilisierten Staaten für den Begriff der Umwandlung einer 
Staatsangehörigkeit ausgenommen. Mit Recht. Naturalisierung bedeutet nichts 
anderes als das Sicheinleben des Fremden in die Natur des ihm zur Heimat 
werdenden Staates. Ebensowenig wie „Natur“ oder „natürlich“ als Fremd- 
wörter erachtet werden können, ist auch das abgeleitete Wort „Naturalisierung“ 
als ein solches zu betrachten. Dagegen bedeutet das Wort „Einbürgerung“ 
83.
	        
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