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3. Heimath-Wesen.
Zusatz-Protokoll
zu dem am 27. April 1876 zu Bern unterzeichneten Niederlassungsvertrage zwischen dem
Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Nachdem die Regierungen des Deutschen Reichs und der Schweizerischen Eidgenossenschaft sich in dem Wunsche
begegnet sind, bei den in Gemäßheit des Art. 7 Abs. 3 des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages
vom 27. April 1876 stattfindenden polizeilichen Zuweisungen von Angehörigen des einen oder des anderen
Theiles die Regelung der Uebernahmepflicht, unter thunlichster Einschränkung der diplomatischen Vermittelung,
auf dem Wege direkter Verhandlungen zwischen den ausweisenden und den übernehmenden Behörden herbei-
zuführen, sind die Unterzeichneten kraft Ermächtigung ihrer Regierungen zu diesem Behufe über folgende
nähere Bestimmungen übereingekommen:
I. Angehörige des einen Theiles, welche in die Lage kommen sollten, nach Art. 7 Abs. 1 des bezeich-
neten Vertrages aus dem Gebiete des anderen Theiles ausgewiesen zu werden, sollen sammt Familie auf
Verlangen jederzeit von den in Nr. VI dieses Zusatz-Protokolls genannten Grenzbehörden wieder übernommen
werden, wenn ihre und ihrer Familie gegenwärtige oder vormalige Staatsangehörigkeit durch eine unverdächtige
Heimathsurkunde dargethan ist.
II. In allen Fällen, in welchen der Nachweis der gegenwärtigen oder vormaligen Staatsangehörigkeit
nicht durch eine unverdächtige Heimathsurkunde geliefert werden kann, hat die vorherige Feststellung und An-
erkennung der Uebernahmepflicht im Korrespondenzwege zu erfolgen.
Die bezüglichen Verhandlungen sind in der Regel direkt zwischen der die Heimschaffung anordnenden
Behörde und der zur Anerkennung der Staatsangehörigkeit zuständigen Heimathsbehörde des zu Uebernehmenden
zu führen. Eine diplomatische Vermittelung findet nur dann statt, wenn entweder besondere Gründe die
direkte Korrespondenz unthunlich erscheinen lassen, insbesondere wenn über die Heimathsbehörde Ungewißheit
besteht oder in sprachlicher Hinsicht der gegenseitigen Verständigung Hindernisse sich entgegenstellen, oder aber,
wenn durch die direkte Korrespondenz die Anerkennung der Uebernahmepflicht nicht erzielt ist und der aus-
weisende Theil sich hierbei nicht beruhigen will.
Die Anerkennung der Uebernahmepflicht darf nicht aus dem Grunde verweigert oder verzögert werden,
weil unter den Behörden des Heimathslandes über den Unterstützungswohnsitz, beziehungsweise die Gemeinde-
angehörigkeit des Auszuweisenden noch Zweifel bestehen.
III. Verzeichnisse derjenigen Behörden, welche in den deutschen Bundesstaaten einerseits und in den
schweizerischen Kantonen andererseits berufen sind, über die Frage der Staatsangehörigkeit eine Entscheidung
und augländische Behörden gegenüber ein Anerkenntniß abzugeben, haben beide Theile sich gegenseitig
mitgetheilt.
Die beiderseitigen zuständigen Behörden werden es sich angelegen sein lassen, die behufs Feststellung
der Staatsangehörigkeits-Verhältnisse ihnen zugehenden amtlichen Requisitionen wegen Beschaffung der Heimaths-=
urkunden einer thunlichst schleunigen Erledigung entgegen zu führen.
IV. Nach erfolgtem Anerkenntniß der Uebernahmepflicht (vergl. Nr. II) werden die Auszuweisenden
gegen Aushändigung des Originals oder einer beglaubigten Abschrift des Anerkenntnisses über die Staats-
angehörigkeit, beziehungsweise der Uebernahme-Erklärung von derjenigen, in Nr. VI dieses Protokolls genannten
Grenzbehörde übernommen, deren Sitz auf dem kürzesten Wege nach dem Bestimmungsorte des Auszuweisenden
belegen ist, ohne Rücksicht darauf, welchem deutschen Bundesstaate beziehungsweise welchem schweizerischen
Kantone der Auszuweisende angehört.
V. Sofern es sich um hülfsbedürftige Personen handelt, ist in allen Ausweisungsfällen der Grenz-
Uebernahmebehörde rechtzeitig vorher von der bevorstehenden Heimschaffung der auszuweisenden Personen ent-
sprechende Mittheilung zu machen.
« VI. Für die Uebernahme der Auszuweisenden werden folgende Grenzbehörden gegenseitig bezeichnet:
A. Für die aus der Schweiz heimzusendenden deutschen Reichsangehörigen:
1. das Königlich bayerische Bezirksamt zu Lindau;
2. die Königlich württembergische Hafendirektion zu Friedrichshafen;