[Medizinal- und Veterinärpolizei.] $ 88. 207
tätig gewesen®. Später hat eine umfassende Regelung des Gegen-
standes durch ein besonderes Reichsgesetz stattgefunden, welches
sich im wesentlichen den Bestimmungen des preußischen Gesetzes
vom 25. Juni 1875 anschloß. [Dieses Gesetz vom Jahre 1880 wurde
1894 abgeändert und ersetzt durch das Viehseuchengesetz vom
26. Juni 19094.) . Auf den Vorschriften dieser Reichsgesetze beruhen
die jetzt für Viehseuchen maßgebenden Grundsätze®.
Die Maßregeln, welche gegen Viehseuchen ergriffen werden,
haben den Zweck, die weitere Verbreitung der Seuchen beim
Vieh zu verhindern und die Übertragung des Ansteckungsstoffes
auf Menschen zu verhüten. Sie dienen also neben ihrem eigentlichen
auf Schutz der Viehzucht gerichteten Zwecke zugleich den Aufgaben
der Sanitätspolizei. Die Organe zur Anordnung dieser Maßregein
sind die Verwaltungsbehörden der Einzelstaaten®. Dem
Reichskanzler steht die Überwachung derselben zu. Er hat,
sofern sich die Maßregeln auf die Gebiete mehrerer Bundesstaaten
erstrecken, selbst oder durch einen von ihm bestellten Reichskommissar
für die Erhaltung der notwendigen Einheit zu sorgen [und zwar bei
inländischen und ausländischen Seuchen. Im Falle von Rinderpest
kann er, auch wenn bei den Maßregeln nicht mehrere Bundesstaaten
beteiligt sind,] nach seinem Ermessen selbständige Anordnungen
treffen oder einen Kommissar bestellen, der die Behörden der be-
teiligten Staaten unmittelbar mit Anweisung zu versehen hat?. Dabei
sind zu unterscheiden: 1.an der Seuche erkrankte Tiere®, hinsicht-
lich deren feststeht, daß sie von der Seuche ergriffen sind; 2. der
Seuche verdächtige Tiere, an denen sich Erscheinungen
zeigen, die den Ausbruch einer übertragenen Seuche befürchten
lassen; 3. der Ansteckung verdächtige Tiere, an denen
sich derartige Erscheinungen zwar nicht zeigen, hinsichtlich deren
Jedoch die Vermutung vorliegt, daß sie den Ansteckungsstoff in sich
aufgenommen haben ®.
Die Maßregeln gegen Viehseuchen sollen deren Einschleppung
vom Auslande und weitere Verbreitung im Innern des
Reiches verhindern.
I. In ersterer Beziehung besteht zunächst ein gesetzliches
Verbot der Einfuhr von Tieren, [die an einer übertragbaren
* R.G. Maßregeln gegen die Rinderpest betr. vom 7. April 1869 (R.P.G.)
Rey. Instruktion vom 9. Juni 1873. R.G. betr. die Beseitigung von Ansteckungs-
stoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen vom 25. Febr. 1876. R.G. betr.
Zuwiderhandlungen gegen die zur Abwehr der Rinderpest erlassenen Viehein-
brverbote, vom 21. Mai 1878.
* [Das Viehseuchengesetz (VG) vom 26. Juni 1909 (R.G.Bl. S. 519)
ersetzt das R.G. vom 28. Juni 1880/1. Mai 1894, betr. die Abwehr und Unter-
Srückung von Viehseuchen mit Ausnahme der Rinderpest.]
5 1. Laband R.St.R.° 1909 .
° V.3.G. 88 2, 3,5. R.P.G. $$ 1, 7, 11, 18.
"V8.G.84 RP.G. 8 12.
® [Vieh im Sinne des V.S.G. sind alle nutzbaren Haustiere, einschließlich
der Hunde, er Katzen und des Geflügels.] ‚