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Art. 102.
In der Pfalz wird an Geld bis zu fünf Tha-
lern gestraft, wer an einer öffentlichen Straße
einer Stadt oder eines Dorfes, an einer Staats-
oder Districtsstraße ein neues Gebäude oder
einzelne Theile oder Vorsprünge desselben, z. B.
Freitreppen u. dgl. oder eine neue Mauer auf-
führt, ohne sich die Baulinie von der zuständigen
Behörde abstecken zu lassen.
An Geld bis zu fünfzig Thalern oder
Haft wird gestraft:
1) wer an einer der in Abs. I genannten Stra-
ßen mit eigenmächtiger Abweichung von der
allgemein festgesetzten oder ihm durch die
zuständige Behörde besonders abgesteckten
Baulinie ein neues Gebäude oder eine neue
Mauer aufführt oder ohne oberpolizeiliche
Erlaubniß an bestehenden Gebäuden, Ge-
bäude-Vorsprüngen, Freitreppen oder Mau-
ern, insoweit diese der festgesetzten Baulinie
nicht entsprechen, eine zur Verstärkung oder
Wiederherstellung derselben dienende Bau-
arbeit unternimmt;
wer den zum Zwecke der Feuersicherheit
und Festigkeit der Gebäude, sowie der Ge-
sundheit erlassenen Verordnungen, oberpo-
lizeilichen Vorschriften oder den auf deren
Grund erlassenen ortspolizeilichen Anord-
nungen zuwiderhandelt;
wer ohne Bewilligung der zuständigen Be-
hörde in einer weniger als 100 Metres be-
tragenden Entfernung von einem im Ge-
brauche stehenden Leichenacker eine Woh-
nung errichtet oder einen Brunnen gräbt
oder bestehende Wohngebäude erneuert oder
vergrößert.
Derselben Strafe unterliegen Bauunternehmer,
S
ES.
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Bau= und Werkmeister, sowie selbstständig ar-
beitende Paliere, Gesellen und sonstige Bauar-
beiter, welche die im gegenwärtigen Artikel ver-
botenen Handlungen ausführen.
Art. 103.
Baumeister und Bauhandwerker, welche die
durch ortspolizeiliche Vorschriften festgesetzten
besonderen Verpflichtungen ihres Berufes über
Anzeige unternommener Bauten und Bauarbeiten
vernachlässigen, unterliegen einer Geldstrafe bis
zu fünfzehn Thalern.
Art. 104.
Obrigkeitlich aufgestellte Sachverständige, welche
die ihnen obliegende Untersuchung eines Baues
mit Gefahr für Personen oder fremdes Eigen-
thum fahrlässiger Weise versäumen, werden, inso-
ferne nicht disciplinäre Ahndung stattfindet, an
Geld bis zu dreißig Thalern gestraft.
Gleicher Strafe unterliegen andere Sach-
verständige, welche nach übernommenem obrig-
keitlichen Auftrage die Untersuchung eines Baues
mit Gefahr für Personen oder fremdes Eigen-
thum fahrlässiger Weise versäumen.
Art. 105.
In den Fällen des § 367 Ziff. 13—15 und
§*368 Ziff. 3 und 4 des St.-G.-B. für das
Deutsche Reich und der Art. 101 und 102 des
gegenwärtigen Gesetzes hat der Richter im Straf-
urtheile auszusprechen, daß die Polizeibehörde
berechtigt ist, die Beseitigung des ordnungswidri-
gen Zustandes anzuordnen und zu diesem Zwecke
die Sicherstellung, Abänderung, den gänzlichen
oder theilweisen Abbruch des betreffenden Bau-
werkes oder der betreffenden Vorrichtung zu
verfügen.