302 8 19. Die Feststellung des Budgetgesetzes. [206
und Natur des Budgetgesetzes ihre Beantwortung findet. Sie
ist eine allgemeine Frage, deren Lösung allerdings auch das
Budgetrecht, aber nur wie jeden andern Theil der Verfassung,
ergreifen kann. Vom Standpunkt des Rechtes aus kann
sicherlich nur der Staatsstreich die Revolution, und nur die
Revolution den Staatsstreich rechtfertigen. Und auch die
Verwerfung des Budgets im Ganzen und schlechthin ist ent-
weder revolutionärer Akt oder Staatsstreich.
III Wie für jedes Gesetz, so fordert die Verfassung
auch für die Feststellung des Budgets die volle Gleich-
berechtigung beider Faktoren der Gesetzgebung. Sie
sind zu gleichem Rechte gebunden, aber auch zu gleichem
Rechte frei.
Gerade darum ist der Begriff der staatsrechtlieh noth-
wendigen Einnahmen und Ausgaben streng begrenzt auf den
Bereich des Gesetzes. Denn nur das Gesetz ıst es, in
welchem das einseitige Wollen der gesetzgebenden Faktoren
zu einem objektiven Gemeinwillen verschmilzt und durch
welches beide Theile, gleichgültig ob verpflichtet oder berech-
tigt, nicht an den Willen je des andern, sondern an eine
gleichmässig übergeordnete Norm gebunden werden.
Als Gesetz aber, welches eine Einnahme oder Ausgabe
zur staatsrechtlich nothwendigen macht, hat unter den zu-
treffenden Voraussetzungen auch ein vorhergehendes Bud-
getgesetz zu gelten. Das erkennt die Reichsverfassung in
Art. 71 ausdrücklich an, indem sie als Grundsatz für die
Aufstellung des Etats feststellt:
„Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel
für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besondern Fällen
auch für eine längere Dauer bewilligt werden.“
Aber allerdings soll die Feststellung einer Ausgabe oder
Einnahme kraft des Etatgesetzes die gesetzliche Verpflich-
tung ihrer Bewilligung auf längere Dauer, auch für die fol-
genden Etats bewirken, so kann dies, als gegen die Regel
und damit gegen die Vermuthung, nur dann geschehn,
wenn nicht blos eine einseitige Voraussetzung sich hierauf