Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

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Fritz Zadow, Der deutsche Kolonialbestand. 
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Da durch diese beiden Verträge die verzichtenden Staaten mit ihren Kondominatsrechten 
an Samoa zugleich jeden Rechtstitel zur Okkupation dieses Gebietes verloren und da gleichzeitig 
durch Artikel 1 des zuletzt erwähnten Vertrages die Samoa-Generalakte und alle früheren Ver- 
träge, Abkommen und Vereinbarungen aufgehoben wurden, so blieb das Land demnach herrenlos, 
wie es vor und auch nach der Generalakte gewesen war. Die Wirkung der Verträge des Jahres 1899 
bestand aber darin, dass dem deutschen Reiche eın ausschliesslicher Rechtstitel zur Okkupation 
vor den beiden anderen Mächten geschaffen war. Auf Grund dieser Rechtslage erwarb das Deutsche 
Reich mit der Okkupation unter Vornahme der üblichen symbolischen Akte und durch tatsächliche 
Einrichtung einer Verwaltung die volle Souveränetät über die beiden Inseln. 
Kraft derivatıven Erwerbstitels sınd vom Reiche erworben: 
l.ein Küstenstrich von Ostafrıka und dıe Insel Mafıa von dem völker- 
rechtlich anerkannten Sultan von Sansıbar durch Vertrag vom 27/28. Oktober 1890; 
2. Die Karolinen, Palau und Marıanen durch Vertrag mit Spanien vom 
12. Februar und 30. Juni 1899. 
Eine eigenartige Stellung innerhalb der deutschen Schutzgebiete nimmt Kiautschou 
ein, welches weder durch Okkupation noch durch Abtretung, sondern auf Grund eines Pachtver- 
trages mit China vom 6. März 1898 ın deutschen Besitz übergegangen ist. Laut Artikel II dieses 
Vertrages überliess der Kaiser von China beide Seiten des Eingangs der Bucht von Kiautschou 
pachtweise, vorläufig auf 99 Jahre, an das Deutsche Reich. Ueber die rechtliche Natur dieses Pacht- 
vertrages herrscht in der kolonialen juristischen und politischen Literatur vielfach Unklarheit und 
man kommt zu verschiedenen Ergebnissen hinsichtlich der Frage, ob wirklich eine Abtretung vor- 
liege oder nicht, je nachdem man das juristische Schwergewicht auf das Vorhandensein eines 
Pacht vertrags legt oder auf den Inhalt des Artikels III des Vertrages, wonach China für die 
Dauer von 99 Jahren ausdrücklich auf die Ausübung aller Hoheitsrechte verzichtet und dieselben 
an Deutschland übertragen hat. Reh m*%) und Jellinek?) lassen keine Abtretung der Gebiets- 
hoheit und damit der Souveränetät gelten. Laband?) sagt: „Das Recht des Kaisers von China 
ist ein nudum jus, welches nicht ın der Geltendmachung ırgend eines Hoheitsrechtes, sondern 
allein in dem Anspruch auf Wiedererlangung nach Ablauf der sogenannten Pachtzeit, also in einem 
Heimfallrecht, besteht“; er hält also einen Verzicht Deutschlands auf sein dortiges Recht nicht für 
ausgeschlossen und lässt einen verschleierten Abtretungsvertrag nıcht gelten. Rehm betont, 
Kiautschou sei chinesisches Staatsgebiet geblieben und das Reich vertrete China nur bei Ausübung 
seiner Hoheitsrechte.e. Jellinek sucht einen neuen völkerrechtlichen Erwerbstitel zu kon- 
struieren, indem er den Vertrag auf den Pachtbegriff (lease) des englischen Rechts zurückführt; 
der Pachtvertrag über Kıautschou entspreche genau den Bestimmungen des englischen Rechts, 
welches Ausländern den Erwerb von Grundstücken verbietet und auch gestattet, Grundbesitz auf 
höchstens 99 Jahre zu erwerben, wobei die Zahlung eines Pachtzinses unwesentlich und nur der 
Abschluss auf bestimmte Zeit, sowie der Vorbehalt des Rückfalls wesentlich ist. Demgegenüber 
wird von Köbner“) stark dıe Tatsache betont, dass das Kiautschougebiet durch den Erlass des 
Kaisers vom 27. Aprıl 1898 genau ebenso wie dıe anderen kolonialen Erwerbungen Deutschlands 
zum „Schutzgebiet“ erklärt worden sei und dass dem Deutschen Reiche die unbedinste und aus- 
schliessliche Souveränetät hinsichtlich aller Bewohner des Gebiets zustehe. v. Stengel?) be- 
zeichnet den Pachtvertrag als eine ‚‚verschleierte Zession“ und erklärt die damit in Widerspruch 
stehende zeitliche Begrenzung für gleichgültig, weil es höchst unwahrscheinlich sei, dass Deutsch- 
land nach Ablauf der Pachtzeit das Gebiet wieder aufgebe. — 
Wenn schon eine Vermutung über das Eintreten oder Nichteintreten eines zukünftigen Er- 
eignisses nicht geeignet ıst, als Erklärung eines rechtlichen Verhältnisses zu dienen, so widersprechen 
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
ala) 5. 82. 
22) Deutsche Juristen-Zeitung 1898 Nr. 13 u. 15. 
23) Staatsrecht II, S. 274. 
#) ın v. Holtzendorffs Enzyklopädie. S. 1085 ff. 
») „Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete“, S. 22, 23, 
 
	        
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