Full text: Die Stellung des deutschen Kaisers

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ist, dass auf die erhobene Bemerkung oder den von einem 
Mitglied gestellten Antrag auf Auszählung des Hauses der 
Präsident erklärt, dass kein Mitglied des Bureaus über die 
Anwesenheit der beschlussfähigen Zahl zweifelhaft ist, und 
damit Bemerkung und Antrag erledigt sind. — Also nur, 
ob der Beschluss in öffentlicher Sitzung ergangen ist, hat 
der Kaiser nachzuprüfen, oder vielmehr, er wird, sobald 
zum ersten Male ein Gesetzesbeschluss vom Reichstage in 
nicht öffentlicher Sitzung erfolgt ist, dazu Stellung zu 
nehmen haben, ob er den Ausschluss der Oeffentlichkeit 
gemäss $ 36 Gesch.-O. für mit der Verfassung vereinbar 
hält oder nicht. Laband hat sich a. a. O. mit Nachdruck 
gegen die rechtliche Möglichkeit: einer nichtöffentlichen 
Reichstagssitzung ausgesprochen, da nach seiner . Ansicht 
Abs. 1 des Art. 22 über das unbedingte Erfordernis der 
Oeffentlichkeit keinen Zweifel lässt. Andere wieder haben 
aus Abs. 2 des genannten Artikels die Zulässigkeit nicht 
öffentlicher Sitzungen für erwiesen erachtet und die Vor- 
schrift des Abs. 1 nur für das Regelmässige, nicht aber 
für das Ausschliessliche angesehen. Und dies trifft m. E. 
zu. Die Reichsverfassung hat normaler Weise Öffentliche 
Reichstagssitzungen haben wollen, gleichzeitig aber durch 
den Schutz wahrheitsgetreuer Berichte über öffentliche 
Sitzungen späteren Geschäftsordnungen die Möglichkeit 
offen gelassen erforderlich erachteten Falls die Oeffent- 
lichkeit auszuschliessen. 
Hat nun diese Prüfung zur Feststellung des ver- 
fassungsmässigen Zustandekommens des Gesetzes geführt, 
so ist der Kaiser zur Ausfertigung verpflichtet. Da in- 
dessen keine Vorschriften darüber bestehen, in welcher 
Weise und durch wen im Falle der Weigerung des Kaisers 
die Ausfertigung der Gesetze vollzogen werden soll, oder 
dass es dann einer Ausfertigung überhaupt nicht bedürfe, 
es vielmehr ausschliesslich das Recht des Kaisers ist, die 
Gesetze auszufertigen, so ist dem Kaiser tatsächlich die 
Möglichkeit gegeben, die Realisierung eines Gesetzes zu 
verhindern'). 
1) Laband a. a. 0. II. S. 38.
	        
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