Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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Irumu selber ist ein größerer Posten, der 
aus etwa vierzehn mit Stroh bedeckten Ziegel- 
häusern besteht und etatmäßig mit zehn Euro- 
päern besetzt ist. Der chekf de poste und ein 
commis ’'stat (ein Belgier und ein Russe) emp- 
fingen uns. Der chek de zone de D’haut Ituri, 
Kommandant Engk (norwegischer Abkunft), be- 
fand sich mit dem militärischen Personal seit 
einer Reihe von Monaten in der Gegend von 
Awakubi-Nepoko, wo die Haltung der Einge- 
borenen nicht mehr ganz den Wünschen des 
Gouvernements entsprach. Irumu gewinnt seine 
Bedeutung dadurch, daß es Knotenpunkt der 
großen Etappenrouten Stanleypille-Toro und 
Kilo-Béni ist. Es liegt außerhalb des Waldes, 
etwa drei bis vier Stunden von dessen Grenze 
entfernt, in hügeliger Grassteppe. 
m 1. April verließen wir Irumu. Da 
Herr Kirschstein sein Eintreffen auf Mitte März 
angekündigt hatte und mehrere unserer Briefe 
unbeantwortet geblieben waren, so erregte sein 
Schweigen Besorgnis, die sich wenige Tage später 
als gerechtfertigt bestätigte. Auf dem Ka- 
rissimbi, dem mächtigsten Vulkane des Kivu- 
gebietes, hatte ein schwerer Schneesturm mit 
Hagelschlag die Hälfte seiner Karawane dahin- 
gerafft. Ihn selber fesselten ein heftiges Fieber 
und die bei der Rettungsarbeit überstandenen 
Strapazen noch längere Zeit ans Bett. Ich lasse 
seinen Bericht im Wortlaut folgen: 
„Am 19. Februar erstieg ich den Gipfel 
dieses gewaltigen Vulkanriesen und sichtete trotz 
des herrschenden Nebels südöstlich vom Haupt- 
kegel, am Ende des sogen. „Rückens“, einen 
weiten, auf der Herrmannschen Karte nicht ver- 
zeichneten Krater des Karissimbi. Ich beschloß 
daher die Begehung des „Rückens“ und die nähere 
Untersuchung dieses bisher noch unbekannten 
Südost-Kraters. Die nächsten Tage waren der 
Erforschung des West= sowie Ost= und Nordost- 
hanges des Hauptkegels gewidmet, die zu inter- 
essanten Ergebnissen führte. Am 24. Februar 
endlich erreichte ich den Ostrand des neuen 
Kraters und bezog hier Lager. Der imposante, 
weite Krater (Durchmesser etwa 1½ km) ist 
ganz von einem Hochmoor erfüllt, aus dessen 
Mitte sich ein kleinerer Bulkankegel mit nach 
innen steil zu einem prächtigen klaren Kratersee 
abfallenden Wänden erhebt. Einige weitere 
Kraterseen befinden sich im südöstlichen bzw. nord- 
westlichen Teil des ebenen Kraterbodens. 
Am 26. Februar waren meine Arbeiten auf 
dem Karissimbi beendet. Mit dem freudigen 
Bewußtsein, daß die ausgestandenen Strapazen 
und Mühen nicht umsonst gewesen waren, sondern 
mir schöne und reiche wissenschaftliche Ergebnisse 
eingebracht hatten, brach ich mein Lager auf dem 
  
Ostrande des Branco-Kraters ab, um den Ab- 
stieg zu beginnen. Da wir um die Südseite des 
Berges mußten, beschloß ich, den kürzeren Weg 
quer durch den Branco-Krater zu wählen, an- 
statt ihn zu umgehen, was für uns einen Umweg 
von zwei bis drei Stunden bedeutet haben würde. 
Glücklich hatten wir denn auch die größere Hälfte 
des Sumpfes passiert, als plötzlich, fast aus 
heiterem Himmel, ein ungewöhnlich starker Hagel- 
schauer und dichter Nebel einsetzten. Die Tempe- 
ratur sank in wenigen Augenblicken auf Null Grad 
Celsius herab. Und dann brach ein Schneesturm 
los — von einer derartigen Heftigkeit, wie ich 
sie im tropischen Afrika nicht für möglich gehalten 
hätte, wenn ich eben nicht selbst Zeuge davon 
geworden wäre. Vergebens versuchte ich meine 
Leute zum Weitermarschieren anzutreiben; wußte 
ich doch, daß das Liegenbleiben im eiskalten 
Sumpfwasser, noch dazu ohne den Schutz von 
Bäumen und ohne die Möglichkeit, Feuer machen 
zu können, für uns alle den sicheren Tod be- 
deuten würde, während uns andererseits, kaum 
eine Stunde entfernt, der mit Bäumen bestandene 
Kraterrand winkte, der uns Unterschlupf und 
Rettung gewähren konnte. Aber ich hatte nicht 
mit der Unvernunft des Negers gerechnet! Die 
Leute versagten einfach, warfen die Lasten fort 
und erklärten, sie müßten sterben... Da half 
kein Zureden, keine Versprechungen; selbst Drohen 
blieb nutzlos. „Wir müssen sterben,“ tönte es 
als einzige Antwort im Chor zurück. Was war 
da zu machen? Ein verzweifelter Moment! Mit 
Aufbietung des letzten Funkens Willensstärke 
kämpfte ich mich mit meinen beiden Askaris und 
einigen wenigen Leuten, bis zu den Knieen im 
eiskalten Wasser watend, durch Schnee und Sturm 
geradenwegs zum Kraterrand durch. Hier er- 
richteten wir im Schutz der Bäume in Eile ein 
Notlager und machten Feuer. Dann ging es an 
das Rettungswerk. Immer wieder drang ich, 
nur von den beiden Askaris begleitet, in den 
weglosen Sumpf vor, einen Unglücklichen nach 
dem anderen brachten wir so zum rettenden 
Lagerfeuer. Die Lasten sollten liegen bleiben, 
hatte ich befohlen; wenn nur die Menschen ge- 
rettet werden. Aber schließlich versagten auch 
uns die Kräfte. „Herr, wenn wir noch einmal 
hinaus sollen, dann kommen wir nicht mehr 
lebend zurück; wir können nicht mehr!“ erklärten 
mir die Askaris, und ihr Anblick sprach nur zu 
deutlich für die Wahrheit des Gesagten. Diese 
Braven hatten wirklich alles Menschenmögliche 
geleistet; jetzt waren sie am Ende ihrer Kräfte 
angelangt. Die anbrechende Dunkelheit mußte 
zudem jeden weiteren Rettungsversuch aussichts- 
los machen, da die infolge des hohen Schilf- 
grases unsichtbaren, nahezu erstarrten Unglück-
	        
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