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AHichtamtlicher Teil
Zur Frage der Rentabilität der Eisenbahnen in den deutschen
Schutzgebieten.
Von Geh. Baurat F. Baltzer.
J.
Finanzielle Ergebnisse einiger deutscher
Kolonialbahnen.
Seitdem nunmehr die finanziellen Ergebnisse
von einigen deutschen Kolonialbahnen, nämlich
der Usambarabahn in Deutsch-Ostafrika, der beiden
Togobahnen (Küsten= und Inlandbahn) sowie der
Swakopmund—Windhuker Bahn und der Otavi-
bahn in Deutsch-Südwestafrika für die Rechnungs-
jahre 1907 und 1908 vorliegen, erscheint es an-
gezeigt, diese Ergebnisse auf eine gemeinschaftliche
Einheit, d. i. das Kilometer Betriebslänge zurück-
geführt, für die verschiedenen Bahnen miteinander
zu vergleichen und etwas eingehender zu würdigen.
Die nachstehende Zusammenstellung A. enthält für
die beiden genannten Jahre die Leistungen des
Betriebes und die Größe des Verkehrs, die Roh-
einnahmen und die Betriebsausgaben der ver-
schiedenen Bahnen, ferner das Anlagekapital, alles
bezogen auf 1 km Betriebslänge, sodann die
durchschnittlichen Einnahmen für eine Person und
das Personenkilometer, für die Tonne und das
Tonnenkilometer, ferner die Länge der Durch-
schnittssahrt der Person und der Gütertonne und
die Durchschnittsleistung des Zugkilometers in der
Zahl der beförderten Personen und Tonnen.
In der letzten Spalte der Zusammenstellung
sind die entsprechenden Ziffern der Preußisch-
Hessischen Staatsbahnen für das Jahr 1907 hin-
zugefügt, um an den heimischen Verhältnissen
einen gewissen Maßstab zu gewinnen.
Aus dieser Übersicht läßt sich mit Bezug auf
die anzustrebende Rentabilität der Kolonialbahnen
ein Urteil darüber gewinnen, welche Betriebs-
leistungen und welche Verkehrsgrößen im Personen=
und Güterverkehr ungefähr erreicht, und welche
durchschnittlichen Tarifsätze vorerst etwa angewandt
werden müssen, um einerseits zunächst den Bahnen
zu einem befriedigenden finanziellen Ergebnis zu
verhelfen, und um andererseits im Schutzgebiet
den Personen= und Güterverkehr so zu beleben
und zu entwickeln, wie es für die allgemeine
Hebung der Ein= und Ausfuhr, für die Steigerung
der Zolleinnahmen, für die Stärkung der Erzeu-
gungs= und Verbrauchsfähigkeit der Eingeborenen-
Bevolkerung in den Schutzgebieten notwendig ist.
Einige Zahlenangaben der Tabelle bedürfen
noch einer näheren Erläuterung:
Zunächst ist zu erwähnen in bezug auf das
kilometrische Anlagekapital der außerordentlich
niedrige Satz der Küstenbahn von rund 20 300 1
darin begründet, daß bei dieser Bahn wesentliche
Höhenunterschiede, Geländeschwierigkeiten, Erd-
arbeiten und besondere Bauwerke fehlen. Auch
das niedrige Anlagekapital der Otavibahn —
31 300 für das Kilometer — ist im wesent-
lichen durch ihre günstigen Geländeverhältnisse,
die überaus einfache Ausstattung der Stationen
und besonders durch die schmale Spurweite (0,60m)
begründet. In bezug auf die Verkehrsverhältnisse
ist zu erwähnen, daß der Personenverkehr der
Usambarabahn mit 66700 Reisenden für das Kilo-
meter als hoch bezeichnet werden darf. Er ist
reichlich 2,3 mal so stark als bei der Togo-Inland-
bahn und beträgt das Sechs= bis Siebenfache der
Staatsbahn Swakopmund—Windhuk. Auch auf
der Togo-Küstenbahn hat sich der Personenverkehr
lebhaft entwickelt. Der Güterverkehr der Usam-
barabahn ist noch schwach, hat sich aber vom
Jahre 1907 auf 1908 nahezu verdoppelt, so daß
die Tonnenkilometer des Jahres 1908 sich bereits
auf 14600 stellen. Der Güterverkehr der Togo-
Inlandbahn, die erst am 27. Januar 1907 eröffnet
wurde, steht naturgemäß noch ganz im Anfange
der Entwicklung. Die Einnahme aus dem Per-
sonenverkehr ist bei der Usambarabahn unverhält-
nismäßig gering infolge des ungewöhnlich niedrigen
Tarifes, 1 Heller = 1½/ Pf. für das Personen-
kilometer in der 3. Klasse für die Farbigen, ein
Satz, der die Selbstkosten nicht deckt und nur in
der Befürchtung begründet war, daß die Einge-
borenen die Kosten der Bahnbeförderung anfänglich
zu sehr scheuen würden. Eine Erhöhung dieses
Tarifes auf 1½ Heller = 1,77 Pf. für das Per-
sonenkilometer ist inzwischen am 1. Dezember 1909
in Kraft getreten. Die Tabelle zeigt weiter, daß
der Güterverkehr der Swakopmund —Windhuker
Bahn mit 20700, und der Otavibahn mit 39600
und 46700 Tonnenkilometer bereits ansehnlichen
Umfang erreicht hat. Der Otavibahn kommen
dabei die über die ganze Bahn in geschlossenen
Zügen zur Küste durchgehenden Erz= und Kupfer-
transporte besonders zugute.