Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXI. Jahrgang, 1910. (21)

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von Wissenschaft und Praxis. Die private 
Industrie ist genötigt, möglichst in kurzer Frist 
praktische Erfolge zu sehen. Die stille und ge- 
duldige Arbeit theoretischer Entwicklung ist nicht 
das Feld oder das Gebiet, welches sie liebt. 
Demnach wird die Arbeit dahin zu teilen sein, 
daß die wissenschaftliche Erforschung die Arbeit 
der Reichs-Kolonialverwaltung, die praktische Ex- 
ploration die der heimischen Interessenten sein 
wird. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich in 
Verhandlungen mit dem Kolonial-Wirtschaftlichen 
Komitee unter der dankenswerten Mithilfe meines 
Herrn Kollegen vom Reichsamt des Innern, welcher 
die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- 
und Forstwirtschaft für die in der Heimat auszu- 
führenden technischen Arbeiten zur Verfügung ge- 
stellt hat, einen Arbeitsplan aufgestellt, der in dem 
laufenden Jahr zum ersten Male ins Werk ge- 
setzt werden soll. Nach diesem Plan sollen dem 
Kolonial-Wirtschaftlichen Komitee weiterhin für die 
Dauer die folgenden Aufgaben verbleiben: 
Das Komitee fährt fort, eine Baumwollschule 
in Mpanganya zu unterhalten und eine kauf- 
männische Geschäftsstelle mit Pflug= und Gerät- 
depot in Ostafrika. Diese Einrichtungen haben 
den Zweck, die Eingeborenen mit besseren Kultur- 
methoden vertraut zu machen und ihnen die not- 
wendigen technischen Hilfsmittel an die Hand zu 
geben; 
ferner die Einrichtung weiterer Entkernungs- 
anstalten unter Heranziehung der deutschen Ma- 
schinenindustrie und von Aufkaufmärkten; 
die Festsetzung und Gewährung von Prämien 
und Garantiepreisen, welche unabhängig von der 
Weltmarktkonjunktur den Eingeborenen zeigen, daß 
bei der neuen Kultur für sie ein Nutzen heraus- 
kommt; 
der Aufkauf und die Lieferung von Saatgut, 
die Leistung von Pflanzprämien, Qualitäts- 
prämien, Pflugprämien, Transporteinrichtungen 
und Erntevorrichtungen; 
die Verwertung der Nebenprodukte, die Kon- 
trolle und Begutachtung der Qualitäten in Deutsch- 
land und die allgemeine Propaganda innerhalb 
des deutschen Volkes über den Wert und die 
Wichtigkeit der Aufgabe. 
Das Komitee wird dabei der Unterstützung 
der Reichsregierung sicher sein und seinerseits 
seine Organisationen der Reichsregierung für die- 
jenigen Zwecke zur Verfügung stellen, welche mit 
dem andern, der Reichsregierung zufallenden Teil, 
in Verbindung stehen. « 
  
Dagegen wird die Kolonialverwaltung in die 
Hand nehmen die Errichtung landwirtschaftlicher 
Stationen mit besonderer Berücksichtigung der 
Baumwollsortenversuche, Saatzucht, Düngung und 
Bewässerung, die Bekämpfung der Schädlinge, 
die wissenschaftliche Untersuchung der Baumwoll- 
böden, den meteorologischen Dienst, und eine ge- 
eignete Einwirkung auf die Eingeborenenbevölke- 
rung, sich diesem, der deutschen Nationalwirtschaft 
so wichtigen Zweige zu widmen. 
Die landwirtschaftlichen Stationen werden 
in allen in Frage kommenden Kolonien eine 
weitere Ausbreitung erfahren, den Bezirksämtern 
sollen, ähnlich wie dies schon in Kamerun ge- 
schehen ist, landwirtschaftliche Beamte beigegeben 
werden, und in Ostafrika werden dabei auch die 
bei den Kommunen verfügbaren wirtschaftlichen 
Kräfte und Geldmittel herangezogen werden. Für 
diese Arbeit stehen für das Jahr 1910 insgesamt 
400 000 /¼ zur Verfügung, welche etwa hälftig 
zwischen beiden Faktoren geteilt werden. Ein 
großer Teil dieser Summe kommt aus der Selbst- 
besteuerung der deutschen Industrie. 
M. H.! Ich hoffe und erwarte, daß die 
deutsche Kaufmannschaft und Industrie, durch- 
drungen von der Wichtigkeit des Gegenstandes, 
ihrerseits nicht erlahmen wird, um mit möglichst 
starker Beteiligung eine Aufgabe zur Lösung zu 
bringen, wie sie in gleichem Umfange selten ge- 
stellt worden ist. Ich weiß, daß wir vielerlei 
Schwierigkeiten begegnen und manche Nackenschläge 
empfangen werden. Aber ich bin der Meinung, 
daß wir selbst, wenn unsere Aussichten weniger 
günstig wären, als ich sie Ihnen an Hand, wie 
mir scheint, zuverlässiger Daten, und getragen von 
der Überzeugung, daß sich noch manches und 
vieles erreichen läßt, dargestellt habe, doch im 
Interesse unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit, 
im Interesse der vielen Millionen deutscher Arbeiter, 
des hohen, in der Industrie investierten Kapitals, 
nuns das Zahlmittel selbst schaffen müssen, mit dem 
wir die anderen Rohprodukte unserer Kolonien 
lösen können, und daß wir nichts unversucht lassen 
dürfen, derjenigen Schwierigkeiten Herr zu werden, 
welche sich heute uns noch entgegenstellen, von 
denen wir aber heute annehmen dürfen, daß sie 
auf die Dauer auch überwunden werden können. 
Zu diesem Versuche, m. H., bei dem Arbeit- 
geber und Arbeitnehmer, Landwirtschaft wie 
Textil= und Fettindustrie soweit als möglich zu- 
sammengehen sollten, werden Sie die Reichsregie- 
rung mit Rat und Tat an Ihrer Seite finden.
	        
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