Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

G 107 20 
auf Zwangsversteigerung wurden vor der Ver- 
steigerung zurückgenommen bei 33 Farmen und 
1 Kleinsiedlung und bei oder nach dem Ver- 
steigerungstermin bei einer Farm. Es waren 
Termine erfolglos bei 9 Farmen, und ein nicht 
näher festzustellender Teil blieb unerledigt. 
Meine Herren, diese Ziffern klingen nicht 
günstig, namentlich der Umstand, daß bei den 
latsächlich vollzogenen Zwangsversteigerungen nahe- 
zu bei der Hälfte der Gläubiger sich zur Über- 
nahme der Farm entschließen mußte, gibt sehr zu 
denken, denn dieses Resultat ist gezeitigt in einer 
Periode des Aufschwungs, in der nach Beendi- 
gung des Aufstandes ein nicht unbeträchtlicher 
Zuzug von neuen Ansiedlern stattfand, und durch 
die Ausbeutung der Diamantfelder auch ein größerer 
Kapitalzufluß sich einstellte. 
Wie würde es da mit der Verkäuflichkeit des 
Farmlandes aussehen, wenn Dürre oder Vieh- 
seuchen das Land heimsuchen sollten? Hierzu 
kommen noch die Gefahren der Wertverschiebung, 
die in einem erst im Anfang seiner kulturellen 
Entwicklung stehenden Lande durch eine Ver- 
änderung der Verkehrswege usw. sehr schnell ein- 
treten können. 
Erheben sich somit begründete Zweifel an der 
gesicherten jederzeitigen Realisierbarkeit der Pfand- 
objekte, so fehlt es an der wichtigsten Voraus- 
setzung jeden Realkredits, und damit ist allen 
denjenigen Projekten unbedingt der Boden ent- 
zogen, die in irgendeiner Form einer Erwerbs- 
gesellschaft die Lösung der Aufgabe zuweisen. 
Weder wird sich eine der deutschen Hypotheken- 
banken dazu hergeben, selbst wenn ihr die gesetz- 
liche Ermächtigung dazu erteilt würde, das Be- 
leihungsgeschäft in Südwestafrika aufzunehmen, 
da sie ihren europäischen Kredit damit gefährden 
würde, noch würde sich privates Kapital für ein 
in Südwestafrika zu begründendes neues Boden- 
kreditinstitut finden. Wenn überhaupt, so kann 
hier nur auf gemeinnütziger Grundlage Abhilfe 
geschaffen werden. 
Die Vorschläge, die auf dieser Basis ruhen 
und die in dem Referate S. 139ff. eingehender 
dargelegt sind, erstreben entweder die Errichtung 
eines direkten Staatsinstituts oder eines gemischten 
Instituts, bei welchem der Siaat durch Hergabe 
des erforderlichen Grundkapitals oder durch Ge- 
währung von Garantien oder Zuschüssen die ge- 
meinnützige Grundlage und die Absetzbarkeit der 
Pfandbriefe sicherstellen soll, oder drittens die 
Errichtung eines genossenschaftlichen Instituts. 
Alle diese Vorschläge kranken an einem ge- 
meinsamen Übel, indem sie Analogien gelten 
lassen wollen, wo keine analogen Verhältnisse vor- 
liegen. Sie zielen alle nach Analogie der üb- 
lichen Bodenkreditoperationen auf eine Pfandbrief- 
  
emission auf Grund erststelliger Hypothekenunter- 
lagen ab und nehmen deshalb die Ablösung der 
vorstehenden fiskalischen Hypothekenforderungen 
in Aussicht und übersehen dabei, daß die Ver- 
hältnisse hier völlig anders liegen, daß auch im 
Wege der Pfandbriefemission — die übrigens in 
jedem Falle nur bei direkter Garantie des Staates 
und nicht etwa, wie Dr. Fuchs annimmt, schon 
im Falle der Ausfallsbürgschaft praktisch zu er- 
möglichen wäre — niemals für den Grundbesitzer 
so billiges Geld beschafft werden kann, als es 
ihm durch die staatlichen zinslosen Vorhypotheken 
gesichert ist. Dieser Vorteil wird eventuell bei 
Einführung der von mir oben angeregten niedrigen 
Verzinsung dieser Vorhypotheken zwar geschmälert, 
aber nicht beseitigt werden. Ein Beispiel mag 
dies erläutern: Angenommen, der Farmer hat die 
ersten 34% dem Fiskus mit 40, die letzten 
24 % dem Darleiher mit 10 % zu verzinsen, so 
stellt sich der Durchschnittssatz für ihn auf 6,4 %, 
ein Zinssatz, der ungefähr dem entspricht, den 
die Befürworter dieser Vorschläge ins Auge ge- 
faßt haben. 
Dem vorstehend geltend gemachten Bedenken 
suchen nun freilich einige der Reformvorschläge 
dadurch zu begegnen, daß sie nicht eine Ablösung 
der fiskalischen Hypothekenforderungen, sondern 
eine Prioritätseinräumung seitens der letzteren 
vorsehen. Dies würde im Grunde auf einen 
Verzicht des Fiskus auf seine Forderungen hin- 
auslaufen und kann ernstlich gar nicht in Er- 
wägung gezogen werden. 
In Südwestafrika handelt es sich meines Er- 
achtens nicht und namentlich nicht, wenn die 
von mir angeregte Prolongation der fizkalischen 
Forderungen Platz greift — um die Beschaffung 
erststelliger zur Pfandbriefumerlage geeigneter 
Hypotheken, sondern um die Umwandlung an 
3. Stelle stehender kurzfristiger Darlehen in lang- 
fristige. Dies ist ein anders geartetes Problem, 
das deshalb auch eine andere Lösung erheischt. 
Die vorstehenden Ausführungen gehen von 
der Voraussetzung aus, daß die aus dem vor- 
liegenden statistischen Material sich ergebenden 
ziffernmäßigen Grundlagen für die überwiegende 
Mehrzahl der Farmen zutreffen, und daß die 
Zahl derjenigen Farmen, bei welchen andere 
hypothekarische Verhältnisse obwalten, nur in 
kleinerem Umfange vorhanden sind, so daß sie 
bei der generellen Regelung keine besondere Be- 
rücksichtigung erheischen. Zur Entscheidung dieser 
Frage fehlt es mir an der erforderlichen Sach- 
kenntnis. 
Bei dem in Südwestafrika bestehenden Kapital- 
mangel kann diese Umwandlung der kurzfristigen 
Oypotheken in langfristige in keiner anderen 
Weise herbeigeführt werden als durch den Staat 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.