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am Tanganika-See viel ausgedehnter, als es im
deutschen Teil des Victoria-Seees war. Immer-
hin bekommt man aber auch am Tanganika-See
den Eindruck, daß der schwerste Teil der
Arbeit bereits hinter uns liegt. Zunächst
war die Schlafkrankheitsbekämpfung bemüht, das
Seeufer im Bereich der infizierten Küste von
Glossinen zu säubern. Der Stakverkehr der Boote
wurde bei Tag verboten und nur bei Nacht er-
laubt, um Ansteckungen zu verhüten. Zertzt ist
die Säuberung des Seeufers so weit vorge-
schritten, daß nur noch einzelne Stellen übrig
geblieben sind. Zunächst sind es die Küsten bei
den großen Olpalmenwäldern. Diese vom Ufer
her so weit zu säubern, daß von den Wäldern her
keine Fliegen zum Strande fliegen, kann nach
meiner Ansicht kaum Schwierigkeiten bieten. Die
nahe am Ufer stehenden Olpalmen werden aller-
dings fallen müssen, was aber kaum einen Scha-
den bedeutet, da man schon vom Dampfer aus
sehen kann, daß die dem Ufer nahen Palmen nur
kümmerlich gedeihen und vielfach von selbst ab-
sterben. Es bleiben außerdem noch einige nicht
ausgedehnte Stellen von steil abfallendem, stei-
nigem Ufer, an welchen sich Glossinen trotz Ab-
holzung am Leben zu erhalten vermochten, weil
ihnen große Steinblöcke genügend Schatten bieten.
Ich selbst habe solche Stellen in der Nähe nicht
gesehen. Hier wird der Versuch zu machen sein,
die Glossinen durch Wegfangen mit oder ohne
Tsetseleim zu vertreiben. Ich möchte Wert dar-
auf legen, daß die Arbeit der Reinigung des
Seenfers bald beendigt wird, damit das Verbot
des Stakens bei Tag, wenigsteus im Bereich des
Usumbura-Bezirks. wieder aufgehoben werden kann.
Dieses Verbot wird schon jetzt nicht mehr streng
befolgt; Postboote und sonstige Dienstboote haben
Erlaubnis, wieder bei Tag zu staken, und oft sieht
man Eingeborene mit Fischerbooten flüchten, wenn
sie das Boot eines Europäers herbeikommen sehen.
Ein solches Verbot, das nicht mehr streng durch-
geführt wird, ist vom Ubel.
Die zweite Aufgabe, Abholzung der mit Pal-
palis bewohnten Flußufer, ist im hauptsächlich
durchseuchten Bezirk der Schlafkrankheit in vollem
Gange. Bis zur Beendigung dieser Arbeit werden
wohl noch einige Jahre vergehen. Auch wird es
sich nicht umgehen lassen, aus einigen besonders
stark infizierten Gegenden, die Bevölkerung weg-
zunehmen und einzelne Gebiete zu sperren. Jeden-
falls dürfen wir am Tanganika an ein Nach-
lassen mit der Arbeit noch nicht denken. JIch
habe aber die Uberzeugung gewonnen, daß es in
absehbarer Zeit wie am Victoria-See so auch am
Tanganika-See gelingen wird, der Seuche ganz
Herr zu werden.
Von Wichtigkeit scheint mir weiterhin, daß in
dem an den eigentlichen Seuchenherd grenzenden,
zu Udjidji gehörenden Bezirk die Glossinen ähn-
lich getilgt werden, wie in dem Seuchenherd selbst.
Es ist dies notwendig, um durch Schaffung einer
glossinenfreien Zone einen Wall gegen das Vor-
dringen der Schlafkrankheit nach Süden zu
schaffen. Diese Aufgabe ist jetzt besonders drin-
gend geworden, weil in diese Zone die Bahn
Tabora—Kigoma fällt. Es ist nach meiner
Ansicht notwendig, daß sofort nach Feststellung
der Bahntrace da, wo Glossina palpalis vor-
kommt, gründliche Abholzungen ausgeführt wer-
den, noch ehe die große Masse der Bahnarbeiter
in diese Gegenden kommt. Eine Verständigung
der Schlafkrankheitsbekämpfung mit der Baufirma
und Mitwirkung der Bahnärzte ist dazu er-
forderlich.
Die Schwierigkeiten sind größer als im Usum-
bura-Bezirk, weil die Palpalis-Gebiete im Udjidji-
Bezirk vielfach schwach bewohnt sind und daher
Arbeitermangel besteht; auch sind die Kosten, welche
beim Abholzen entstehen, sehr viel größer: etwa
fünf Rupie pro Mann und Monat Arbeitslohn gegen
eine Rupie im Usumbura-Bezirk. Daß aber bei
Mithilfe des Bezirksamts trotzdem etwas erreicht
werden kann, zeigt der Umstand, daß die Araber
von Udjidji die Küste nördlich Udjidji bis Kigoma
auf einmalige Aufforderung des stellvertretenden
Bezirksamtmanns mit eigenen Mitteln reinigen
ließen. Vielleicht mag auch der bisher befolgte
Grundsatz, Abholzungen nur da zu beginnen und
durchzuführen, wo die spätere Niederhaltung der
BVegetation durch die anwohnenden Eingeborenen
gesichert erscheint, bisher davon abgehalten haben,
im Udjidji-Bezirk größere Abholzungen auszu--
führen. Dieser Grundsatz scheint mir aber nicht
immer angebracht. Uberall, wo ich zusammen-
hängende Abholzungen in größerem Maßstabe
gesehen habe, am Morifluß ebenso wie am Russissi
und Malagarasi, konnte ich beobachten, daß die
Glossinen selbst dann verschwunden geblieben sind,
wenn die Vegetation wieder so üppig nachge-
wachsen war, daß die Glossinen an und für sich
wieder ihre Lebensbedingungen gefunden hätten.
Offenbar hindert die schwerfällige Art ihrer
Fortpflanzung die Glossina palpalis an einer
raschen Ausbreitung. Ich würde es daher für
gerechtfertigt halten, Abholzungen an der Küste
und den Flüssen des Udjidji-Bezirks da, wo
die Glossina palpalis sich findet, in ähnlicher
Ausdehnung wie im Usumbura-Bezirk durchzu-
führen, selbst wenn die Eingeborenen der nächsten
Umgebung zu diesen Arbeiten nicht genügen, son-
dern auswärtige mit herangezogen werden mühssen.
Besonders erscheint mir mit Rücksicht auf den
Bahnbau eine Abholzung des Malagarasi und
seiner Nebenflüsse von oben herunter, soweit