Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIII. Jahrgang, 1912. (23)

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am Tanganika-See viel ausgedehnter, als es im 
deutschen Teil des Victoria-Seees war. Immer- 
hin bekommt man aber auch am Tanganika-See 
den Eindruck, daß der schwerste Teil der 
Arbeit bereits hinter uns liegt. Zunächst 
war die Schlafkrankheitsbekämpfung bemüht, das 
Seeufer im Bereich der infizierten Küste von 
Glossinen zu säubern. Der Stakverkehr der Boote 
wurde bei Tag verboten und nur bei Nacht er- 
laubt, um Ansteckungen zu verhüten. Zertzt ist 
die Säuberung des Seeufers so weit vorge- 
schritten, daß nur noch einzelne Stellen übrig 
geblieben sind. Zunächst sind es die Küsten bei 
den großen Olpalmenwäldern. Diese vom Ufer 
her so weit zu säubern, daß von den Wäldern her 
keine Fliegen zum Strande fliegen, kann nach 
meiner Ansicht kaum Schwierigkeiten bieten. Die 
nahe am Ufer stehenden Olpalmen werden aller- 
dings fallen müssen, was aber kaum einen Scha- 
den bedeutet, da man schon vom Dampfer aus 
sehen kann, daß die dem Ufer nahen Palmen nur 
kümmerlich gedeihen und vielfach von selbst ab- 
sterben. Es bleiben außerdem noch einige nicht 
ausgedehnte Stellen von steil abfallendem, stei- 
nigem Ufer, an welchen sich Glossinen trotz Ab- 
holzung am Leben zu erhalten vermochten, weil 
ihnen große Steinblöcke genügend Schatten bieten. 
Ich selbst habe solche Stellen in der Nähe nicht 
gesehen. Hier wird der Versuch zu machen sein, 
die Glossinen durch Wegfangen mit oder ohne 
Tsetseleim zu vertreiben. Ich möchte Wert dar- 
auf legen, daß die Arbeit der Reinigung des 
Seenfers bald beendigt wird, damit das Verbot 
des Stakens bei Tag, wenigsteus im Bereich des 
Usumbura-Bezirks. wieder aufgehoben werden kann. 
Dieses Verbot wird schon jetzt nicht mehr streng 
befolgt; Postboote und sonstige Dienstboote haben 
Erlaubnis, wieder bei Tag zu staken, und oft sieht 
man Eingeborene mit Fischerbooten flüchten, wenn 
sie das Boot eines Europäers herbeikommen sehen. 
Ein solches Verbot, das nicht mehr streng durch- 
geführt wird, ist vom Ubel. 
Die zweite Aufgabe, Abholzung der mit Pal- 
palis bewohnten Flußufer, ist im hauptsächlich 
durchseuchten Bezirk der Schlafkrankheit in vollem 
Gange. Bis zur Beendigung dieser Arbeit werden 
wohl noch einige Jahre vergehen. Auch wird es 
sich nicht umgehen lassen, aus einigen besonders 
stark infizierten Gegenden, die Bevölkerung weg- 
zunehmen und einzelne Gebiete zu sperren. Jeden- 
falls dürfen wir am Tanganika an ein Nach- 
lassen mit der Arbeit noch nicht denken. JIch 
habe aber die Uberzeugung gewonnen, daß es in 
absehbarer Zeit wie am Victoria-See so auch am 
Tanganika-See gelingen wird, der Seuche ganz 
Herr zu werden. 
Von Wichtigkeit scheint mir weiterhin, daß in 
  
dem an den eigentlichen Seuchenherd grenzenden, 
zu Udjidji gehörenden Bezirk die Glossinen ähn- 
lich getilgt werden, wie in dem Seuchenherd selbst. 
Es ist dies notwendig, um durch Schaffung einer 
glossinenfreien Zone einen Wall gegen das Vor- 
dringen der Schlafkrankheit nach Süden zu 
schaffen. Diese Aufgabe ist jetzt besonders drin- 
gend geworden, weil in diese Zone die Bahn 
Tabora—Kigoma fällt. Es ist nach meiner 
Ansicht notwendig, daß sofort nach Feststellung 
der Bahntrace da, wo Glossina palpalis vor- 
kommt, gründliche Abholzungen ausgeführt wer- 
den, noch ehe die große Masse der Bahnarbeiter 
in diese Gegenden kommt. Eine Verständigung 
der Schlafkrankheitsbekämpfung mit der Baufirma 
und Mitwirkung der Bahnärzte ist dazu er- 
forderlich. 
Die Schwierigkeiten sind größer als im Usum- 
bura-Bezirk, weil die Palpalis-Gebiete im Udjidji- 
Bezirk vielfach schwach bewohnt sind und daher 
Arbeitermangel besteht; auch sind die Kosten, welche 
beim Abholzen entstehen, sehr viel größer: etwa 
fünf Rupie pro Mann und Monat Arbeitslohn gegen 
eine Rupie im Usumbura-Bezirk. Daß aber bei 
Mithilfe des Bezirksamts trotzdem etwas erreicht 
werden kann, zeigt der Umstand, daß die Araber 
von Udjidji die Küste nördlich Udjidji bis Kigoma 
auf einmalige Aufforderung des stellvertretenden 
Bezirksamtmanns mit eigenen Mitteln reinigen 
ließen. Vielleicht mag auch der bisher befolgte 
Grundsatz, Abholzungen nur da zu beginnen und 
durchzuführen, wo die spätere Niederhaltung der 
BVegetation durch die anwohnenden Eingeborenen 
gesichert erscheint, bisher davon abgehalten haben, 
im Udjidji-Bezirk größere Abholzungen auszu-- 
führen. Dieser Grundsatz scheint mir aber nicht 
immer angebracht. Uberall, wo ich zusammen- 
hängende Abholzungen in größerem Maßstabe 
gesehen habe, am Morifluß ebenso wie am Russissi 
und Malagarasi, konnte ich beobachten, daß die 
Glossinen selbst dann verschwunden geblieben sind, 
wenn die Vegetation wieder so üppig nachge- 
wachsen war, daß die Glossinen an und für sich 
wieder ihre Lebensbedingungen gefunden hätten. 
Offenbar hindert die schwerfällige Art ihrer 
Fortpflanzung die Glossina palpalis an einer 
raschen Ausbreitung. Ich würde es daher für 
gerechtfertigt halten, Abholzungen an der Küste 
und den Flüssen des Udjidji-Bezirks da, wo 
die Glossina palpalis sich findet, in ähnlicher 
Ausdehnung wie im Usumbura-Bezirk durchzu- 
führen, selbst wenn die Eingeborenen der nächsten 
Umgebung zu diesen Arbeiten nicht genügen, son- 
dern auswärtige mit herangezogen werden mühssen. 
Besonders erscheint mir mit Rücksicht auf den 
Bahnbau eine Abholzung des Malagarasi und 
seiner Nebenflüsse von oben herunter, soweit
	        
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