Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

W 444 20 
verordnung vom 23. März 1904 über die Verpflichtung 
zur Gestellung von Zugochsen usw. für die Schutztruppe 
lediglich ein Schätzungsverfahren für die Ermittlung 
des zu vergütenden Wertes anordne. 
as Kammergericht hat die Berufung mit der 
Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage wegen man- 
gelnder gesetzlicher Vertretung des Beklagten abge- 
wiesen wird. - 
Aus den Entscheidungsgründen: 
Der Beklagte stützt die von ihm in erster Linie 
erhobene prozeßhindernde Einrede der örtlichen Unzu- 
ständigkeit darauf, daß nich der Reichskanzler, sondern 
der Kommandeur der Schutztruppe bzw. der Gou- 
verneur zur Vertretung des Fiskus im vorliegenden 
Rechtsstreit berufen sei. In diesem Vorbringen liegt 
also zugleich auch die Einrede der mangelnden gesetz- 
lichen Vertretung (§ 274 Ziffer 7 Z. P. O.). Die Legi- 
timation des gesetzlichen Vertreters ist übrigens auch 
gemäß § 56 Abs. 1 Z. P. O. von Amtswegen zu prüfen. 
Da sonach hier mehrere Prozeßvoraussetzungen 
in Frage stehen, nämlich die gesetzliche Veriretung 
einer Partei, die Zuständigkeit des Gerichts und die 
Zulässigkeit des Rechtsweges, so ist zunächst zu prüfen, 
über welche Prozeßvoraussetzung zuerst zu entscheiden ist. 
In dieser Richtung ist davon auszugehen, daß zu- 
nächst über diejenige Prozeßvoraussetzung zu erlennen 
ist, die als bedingend für jede weitere Entscheidung 
anzusehen ist. Dies ist hier die Frage der gesetzlichen 
Vertretung des Beklagten. Denn nur wenn der Be- 
llagte durch den ordnungsmäßigen gesetzlichen Vertreter 
hier vertreten ist, kann mit demselben überhaupt, ins- 
besondere aber auch über die weiter in Frage stehen- 
den Prozeßvoraussetzungen verhandelt werden; in 
erm Falle würde jede weitere Verhandlung und 
Entscheidung. ohne 9 Bestand sei 
e 
F Bitr S. 1098; Gntschd. R. G. 
Bd. 11 S. 9 . Levy, Heeihenfeler der 
uererruhene in Vierhaus, Feitschrift f. 
Zivil-Prozeß, Bd. 20 S. 87.) 
Verklagt r*r * Fiskus von — 
Die Schutzgebiete sind anerkanntermaßen vermögens- 
schtiche Persänlichteien. die ihren eigenen Landes- 
kus haben. (Laband, Staatsrecht Bd. 11 S. 298.) 
die Schutzgewalt in den brutichen Schutzgebieten 
vom Kaiser im Namen des Reichs ausgeübt wird 
(Schutzgebietsgesetz vom 10. September 1900 § 1 
ist an sich Vertreter des beklagten Fiskus der Reichs- 
kanzler, dem bei der Führung der Kolonialverwaltung 
die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts un- 
mittelbar untergeordnet ist. (v. Stengel, die deutschen 
Schusgebiete in den Annalen des Deutschen Reichs, 
4 28, Jahrgang 1895 S. 670.) 
Der Reichskanzler lehu“ aber im vorliegenden 
Falle die Einlassung auf den Rechtsstreit ab, weil 
eine besondere Behörde, sei es der Kommandeur der 
Schutztruppe, sei es der Gouverneur von Deutsch-Süd- 
westafrika zur Vertretung des Fiskus berufen sei. 
Zweifellos kann die Befugnis zur Vertretung des 
iskus im Wege der Verordnung auf nachgeordnete 
Behörden insoweit wirksam übertragen werden, als 
eine derartige Anordnung nicht mit gesetzlichen Vor- 
schriften in Widerspruch tritt. 
R. G. Bd. 35 S. 14, Bd. 42 S. 66, 
Bb. 48 S. 18.) 
Von der Publikation hängt die Rechtgültigkeit der- 
artiger Verordnungen keineswegs ab, vielmehr sind 
derartige Verwaltungsorbnungen r den geß- 
gegner des Fistu dann verbindlic. wenn sie 
t zur Kenntnis des Publikums und zu # seiner 
igenen Kenntnis gelangt sind. (Entsch. R. 
  
  
S. 16.) Die Delegation der Befugnis zur Vertretung 
des Fiskus an eine nachgeordnete Behörde schlieör 
auch regelmäßig das Recht zur prozessnalen Vertretung 
des Fiskus ein; denn die prozessuale Vertretung stellt 
nur einen Akt der laufenden Verwaltung derjenigen 
Angele enheiten dar, aus denen sich der Prozeß er- 
gibt. (Entscheidung des R. G. Bd. 35 G. 14.) 
Endlich unterliegt es keinem —“ daß in 
den Fällen, in denen einer nachgeordneten Behörde 
die prbzeßrechtliche Vertretungsbefugnis zusteht, der 
Gegner verpflichter ist, diese Behörde als Vertreter 
des Fiskus in Anspruch zu nehmen, daß er aber keines- 
wegs die Wahl hat, die obere Reichsbehörde oder die 
nachgeordnete Behörde als Vertreter des ions im 
Prozesse anzugeben. (Skonietzki-Gelpke, Z. P. O. 8 18 
nm. 3 n, Schols in Gruchots Beiträgen vd. 47 
S. 577, Dernburg, Bürgl. Recht Bd. 1 S. 189 sub 111, 
Fritze, Zusammenstellung der Behörden S. 27.) 
Ist also eine Delegation der Vertretungsbefugnis 
des beklagten Fiskus seitens des Reichskanzlers an 
den Kommandenr der Schutztruppe oder an den Gou- 
verneur erfolgt, so muste der Kläger die Klage egen 
den südwestafrikanischen Fiskus, vertreten durch die 
zuständige Behörde in Afrila, richten 
. . . Die Vertretung des Fiskus gebührt in diesem 
Falle dem Gonvernen 
em heuteruen steht die bhöchste zivile Gewalt 
im Schutzgebiete Gouverneur hat die 
Interessen des Näichs im Sbrrehen wahrzunehmen, 
für Ruhe und Ordnung mit allen Mitteln Sorge zu 
tragen ko. Stengel u. a. O. S. 674 und 740). Sache 
des Gouverneurs war es daher, bei Ausbruch des Auf- 
standes die gebotenen Maßregeln zu ergreifen, ins- 
besondere auch die für die Verpflegung der Truppen 
im Felde und die Beförderung des Krichemterials an 
Ort und Stelle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. 
er Gouverneur hat denn auch am 23. März 1904 
auf Grund des §& 15 des Schutzgebietsgesetzes und des 
55 der Verfügung des Reichskanzlers vom 27. Sep- 
tember 1908 eine Verordnung erlassen, in welcher er 
für die Dauer der unter den Eingeborenen herrschenden 
Unruhen zur Beschaffung und Erhaltung des kriegs- 
mäßigen Bedarfs der Schutztruppe allen Besitzern von 
Zugochsen, Eseln und dergl. die Verpflichtung auferlegt, 
ihre für Kriegszwecke tauglich erklärten Zugochsen und 
dergl. gegen Ersatz des vollen von Sachverständigen 
endgültig festzustellenden Wertes an die Militärbehörde 
zu überlassen. (Kol. G. G. Bd. 8 S. 81.) Aus- 
gefüört. sind die Requisitionen jedenfalls, wie die der 
lage in Abschrift beigefügten Requisitionsscheine er- 
geben, von dem Bezirksamtmann zu Outjo. als einer 
dem Gouverneur nachgeordneten Verwaltungsbehörde. 
Die Vertretung des Fiskus würde daher von diesem 
Standpnult aus dem Gouverneur zustehen. Die 
prozeßrechtliche Vertretungsbefugnis stände in diesem 
Falle ganz außer Frage. 
Denn nach dem Erlaß der Kolonial-Abteilung vom 
4. April 1901 an den Gouverneur von Deutsch-Süd- 
westafrika, betreffend die prozessuale Vertretung des 
Schutzgebietsfiskus, gebührt die Vertretung des Fislus 
bei außerkontraktlichen Ansprüchen, die gegen den Fislus 
erhoben werden, dem Gouverneur, sofern derjenige 
Beamte, aus dessen Handlung die Haftung des Fiskus 
noltt, dem — unmittelbar unterstellt ist. (Kol. 
Dieser Fall ist hier gegeben, da die Bezirksamt- 
männer dem Gouverneur unterstellte Verwaltungs- 
beamte sind. 
Es genügt für die Entscheidung des vorliegenden 
Frozesses die aus den obigen Darlegungen sich e 
 
	        
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