Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXIV. Jahrgang, 1913. (24)

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schaftlicher Verschiedenheit zwischen Nord und Süd, 
zwischen Ost und West, zwischen Essener Kohlen- 
und Industrie-Bezirk und bayerischem Hochland 
oder pommerschem Ostseestrand sich gut mit einer 
einheitlichen Verkehrsordnung auskommen läßt. 
In necessarlüs unitas, in dubls libertas! 
Nachstehend sollen die wichtigsten Bestimmungen 
und Abweichungen der neuen KVO. von den 
Vorschriften der heimischen EV0O. kurz erörtert 
werden. Zunächst räumt § 1, Geltungsbereich, 
den Gouverneuren das Recht ein, mit Zustimmung 
des Reichs= Kolonialamts einzelne Eisenbahnen 
wegen ihrer geringen Bedeutung für den allge- 
meinen Verkehr von den Bestimmungen der KV0. 
zu befreien, und § 2 ermächtigt sie, Ausführungs- 
bestimmungen, die die Bahn treffen will, zu ge- 
nehmigen. Wegen der vielfach vorhandenen 
schwarzen Stations= und Zugbeamten bedurfte 
§8, Meinungsverschiedenheiten, eines besonderen 
Zusatzes, da deren Entscheidung zumeist nur dem 
weißen Stations= und Zugbeamten überlassen 
werden kann. Danach kann der Gouvernemr be- 
sonders bestimmen, ob und inwieweit in den Fällen, 
wo ein weißer Zugbeamter nicht vorhanden ist, 
auf den mit Farbigen besetzten Stationen und 
während der Fahrt die Anordnung des farbigen 
Stationsvorstehers oder farbigen Zugführers so- 
lange gelten soll, bis die Entscheidung des weißen 
Aufsichtsbeamten der nächstfolgenden Station an- 
gerufen werden kann. Der gleiche Zusatz hat 
auch bei § 22, Offnen der Fenster, Aufnahme 
gefunden. § 11, der den Ausschluß von Per- 
sonen von der Beförderung oder ihre nur be- 
dingungsweise Zulassung behandelt, ist wesentlich 
milder gefaßt als in der EVO.; insbesondere 
überläßt es § 11,3 den Gouverneuren, anzuordnen, 
ob und unter welchen Bedingungen gewisse Kranke, 
5. B. Pest= und Aussatzkranke, zur Beförderung 
Wugelassen werden dürfen. 
Im § 12 sind etwaige Fahrpreisermäßigungen 
für Kinder der jeweiligen Festsetzung durch den 
Tarif überlassen; die heimische Bestimmung in der 
EV0. § 12,2 ist auf die Schutzgebiete nicht an- 
wendbar, da einmal die sichere Feststellung des 
Lebensalters bei farbigen Kindern großen Schwie- 
rigkeiten begegnen würde, sodann aber auch die 
Reife der Kinder in den Tropen in anderen 
Jahren eintritt als bei uns. Durch § 16,2 und 5 
ist die Bestimmung über die Preiszuschläge bzw. 
die Gebühr, die der Reisende zu entrichten hat, 
wenn er auf der Fahrt keinen gültigen Fahrschein 
vorzeigen kann, oder wenn er die abgesperrten 
Teile einer Station mit Bahnsteigsperre ohne 
gültigen Ausweis betritt, dem Tarif überlassen, 
da die heimischen Strafbestimmungen § 16,2 und 4 
der EV0. zur allgemeinen Anwendung in den 
Schutzgebieten nicht geeignet erschienen. Der in 
  
der heimischen EVO. ziemlich umfangreiche § 18, 
betreffend Frauen= und Nichtraucherabteile, hat 
hier die einfache Fassung erhalten, daß es den 
Gouverneuren überlassen bleibt, bei Bedürfnis 
mit Zustimmung der Eisenbahn über die Einrich- 
tung und Benutzung von Frauen= und Nicht- 
raucherabteilen die nötigen Anordnungen zu treffen. 
Die Vorschriften über das Abrufen in den Warte- 
räumen zum Einsteigen, § 19,1 der EVO., ist, 
weil einstweilen entbehrlich, weggelassen. Um den 
Mißbräuchen der Farbigen wegen der zu umfang- 
reichen Traglasten zu steuern, die sie in die Per- 
sonenwagen mitnehmen, wird durch § 28,4 der 
Umfang der in den Personenwagen zuzulassenden 
Traglasten auf solche Gegenstände beschränkt, die 
infolge ihres Umfanges, ihres Gewichts oder ihrer 
Anzahl ein einzelner Fußgänger noch zu tragen 
vermag; anderenfalls brauchen solche Gegenstände 
als Traglasten auch dann nicht zugelassen zu 
werden, wenn mehrere Fahrscheine vorgezeigt 
werden. 
Nach § 36, 2 gilt ein fehlendes Reisegepäckstück 
erst nach Ablauf von 14 (nach der heimischen 
EV0O. von 3) Tagen nach Ankunft des Zuges, 
zu dem es aufgegeben war, als „verloren“. Da- 
gegen hat die Bahn nach § 37,1 den nachge- 
wiesenen Schaden bis zum Betrage von 10 Pf. 
(in Ostafrika 7,5 Heller) — in der Heimat 20 Pf. 
— für jedes Kilogramm des ausgebliebenen Ge- 
päcks und für jede angefangenen 24 Stunden der 
Lieferfristüberschreitung — höchstens aber 14 Tage 
— zu ersetzen. Ist ein Schaden nicht entstanden 
oder nicht nachgewiesen, so hat die Bahn nach 
§ 37,2 5 Pf. (in Ostafrika 4 Heller) für das 
Kilogramm wie vor zu zahlen. 
§ 38, Gepäckträger, ist vorläufig ohne In- 
halt geblieben, da die Bahnen in den Schutz- 
gebieten heute noch Bedenken tragen, eine Haftung 
für die von ihnen zu stellenden farbigen Gepäck- 
träger zu übernehmen. Die Bestimmungen des 
Abschnitts über die Beförderung von Expreßgut 
gelten nur für die Bahnen, welche die Expreß- 
gutabfertigung eingeführt haben. Hierzu bestimmt 
8 42, daß die Abfertigungsstelle auf unbesetzten 
Stationen der Zugführer ist. 
Bei der Tierbeförderung ist die Anmelde- 
frist nach 8 48,1 auf mindestens 72 Stunden 
(gegen 24 in der Heimat) festgesetzt. Einzelne 
Tiere müssen mindestens zwei Stunden (nach EV. 
5 48,5 nur eine Stunde) vor Abgang des Zuges 
auf die Station gebracht werden. 
Tiersendungen sind auf Frachtbrief (nach EVO. 
auf Beförderungsschein oder Eilfrachtbrief) abzu- 
fertigen. Nach § 49 kann der Gouverneur nähere 
Bestimmungen über die Beförderung von lebenden 
Tieren im Einvernehmen mit der Bahn erlassen, 
während in der EV0. hierfür die Anlage B das
	        
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