Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVI. Jahrgang, 1915. (26)

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im Osten des Bezirks gab es Orte mit 20 bis 
30 v. H. Infizierten, ja am Bach Lubi war an 
einzelnen Orten die Bevölkerung durch die Schlaf- 
krankheit vernichtet. Ebenso ist die Krankheit im 
Westen des Bezirks bei den Bampende stark ver- 
breitet. Die Möglichkeit einer größeren Aus- 
breitung der Krankheit auch im Zentrum des 
Bezirks ist gleichfalls gegeben, da zum Beispiel 
in Djoko-Punda und in Tshikapa die Glossina 
palpalis häufiger auftritt. 
Malaria ist ganz allgemein verbreitet. Ein 
großer Teil der Kindersterblichkeit ist auf diese 
Krankheit zurückzuführen. Auch Lepra herrscht im 
Bezirk. Nach den Beobachtungen des Missions- 
arztes in Luebo ist diese Krankheit in bedenklicher 
Weise im Zunehmen begriffen. Amöbendysenterie 
ist verhältnismäßig selten, Bazillendysenterie da- 
gegen häufiger, namentlich auf den Verwaltungs- 
posten und besonders zu Beginn der Regenzeit. 
Pocken herrschten im Jahre 1914 im Westen und 
Osten des Bezirks. Große Epidemien waren in 
den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Ge- 
schlechtskrankheiten sind in diesem europäischem 
und arabischem Einfluß bisher wenig zugänglich 
gewesenen Bezirk recht selten, doch treten auch 
Syphilis und Frombösie in einzelnen Fällen auf. 
Im großen und ganzen läßt sich daher sagen, 
daß der Bezirk zwar von allen Seiten von allen 
möglichen Krankheiten bedroht ist, daß aber dank 
der besonderen natürlichen Verhältnisse: dem 
Fehlen der Insekten, den guten Wasserverhält- 
nissen, der Abgeschlossenheit großer Teile des 
Bezirks gegen äußere Einflüsse, der Gesundheits- 
zustand der Eingeborenen noch relativ gut ist. 
Gerade die Abgeschlossenheit wird sich aber auf 
die Dauer nicht aufrecht erhalten lassen, und die 
Gefahr der Verseuchung des heute noch so reich 
bevölkerten Bezirks steigert sich von Jahr zu Jahr. 
Leider tragen die Maßnahmen der Regierung 
diesen Umständen in keiner Weise Rechnung. 
Obwohl es dank der verhältnismäßig günstigen 
Bedingungen leicht wäre, dieses große Bevölke- 
rungsreservoir zu schützen, sind die bisherigen 
Maßnahmen der Regierung zum Schutze der Ein- 
geborenen gänzlich unzulänglich: Für den großen 
Bezirk gibt es nur einen einzigen Regierungsarzt, 
dem in erster Linie die Pflege der Beamten ob- 
liegt und der naturgemäß schon durch die not- 
wendigen Reisen von einem Posten zum andern 
einen großen Teil seiner schon übermäßig in An- 
spruch genommenen Zeit verliert. Irgendein 
Regierungskrankenhaus gibt es im ganzen Bezirk 
bisher nicht. In dieser Beziehung hat die Re- 
gierung die ganze Verantwortung den Missions- 
und Gesellschaftsärzten überlassen, und wenn sich 
diese Herren auch in bereitwilligster Weise in den 
Dienst der Allgemeinheit stellen, so bleiben sie 
  
naturgemäß doch stets an bestimmte Plätze ge- 
bunden und können unmöglich die Regierungs- 
ärzte ersetzen. 
An Privatärzten waren vorhanden: ein Arzt 
der amerikanischen Mission in Luebo. In seiner 
Poliklinik für Farbige wurden täglich im Durch- 
schnitt 125 Kranke behandelt, die höchste Kranken- 
ziffer an einem Tage war bisher 184 gewesen. 
In einem besonderen Lager erfolgt die Behand- 
lung der Schlafkranken. Es wurde Atoxyl in 
Dosen bis zu 1g pro Tag und Arsenici Sulfi- 
dium drei= bis viermal pro Tag in Dosen von 
1 bis 7 g gegeben. Der Arzt glaubte bei 20 Per- 
sonen dauernde Heilerfolge verzeichnen zu können. 
Die Mission plant jetzt die Einrichtung eines 
Krankenhauses, für das ihr von mildtätiger Seite 
die Mittel zur Verfügung gestellt sind. Auch die 
Société Internationale Forestière et Minidre 
du Congo hat in ihrem Hauptlager in Tshikapa 
für die Behandlung ihrer Angestellten und ihrer 
Arbeiter einen Arzt, der sich aber ebenfalls nach 
Bedarf jedes andern Kranken annimmt. Die 
Huileries du Congo haben ebenfalls für ihre 
Niederlassung in Brabanta einen Arzt vorgesehen, 
doch war dieser im Sommer 1914 noch nicht dort. 
Auch die katholische Mission widmet sich in ge- 
wissem Umfange der Krankenpflege. An jeder 
Station behandelt einer der Patres die Kranken 
der Mission und die zu ihr kommenden Eingebo- 
renen der Umgegend. Bei der im Jahre 1914 
drohenden Pockenepidemie wurden Impfungen in 
großem Maßstabe von den Patres vorgenommen. 
In der Nähe der Station St. Joseph hatte die 
Mission ein Schlafkrankenlager eingerichtet. Die 
Regierung hatte der Mission für diese Zwecke 
100 000 Fr. zur Verfügung gestellt. Es waren 
24 kleine Häuschen erbaut worden, in denen die 
Schwerkranken der Gegend, die sich auf der Station 
einfanden, untergebracht wurden. Es fand auch 
in gewissem Umfang eine Behandlung der Kranken 
mit Arzneimitteln statt, doch war nach dem Gut- 
achten des Regierungsarztes dieses Lager nur ein 
Isolierungslager zur Verminderung der Infektions-- 
gefahr, eine Behandlung nach wissenschaftlichen 
Grundsätzen fand bei diesen schon hoffnungslos 
Kranken nicht statt. Das Hospital hatte schon 
Belegziffern bis zu 750 Kranken im Jahr gehabt, 
die Belegstärke im Sommer 1914 war 120. 
Auffallend im Bezirk ist die große Zahl der 
Kinder. Fast in allen Dörfern wimmelt es von 
Kindern in allen Lebensaltern. Als Grund wurde 
hierfür neben dem seltenen Vorkommen der Ge- 
schlechtskrankheiten die Sitte einzelner Stämme 
angegeben, den Eltern einer Frau bei der Heirat 
erst einen Teilbetrag des Brautgeldes und weitere 
Beträge mit jedem von der Frau geborenen Kinde 
zu zahlen. Die Opfer, die die Malaria und
	        
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