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im Osten des Bezirks gab es Orte mit 20 bis
30 v. H. Infizierten, ja am Bach Lubi war an
einzelnen Orten die Bevölkerung durch die Schlaf-
krankheit vernichtet. Ebenso ist die Krankheit im
Westen des Bezirks bei den Bampende stark ver-
breitet. Die Möglichkeit einer größeren Aus-
breitung der Krankheit auch im Zentrum des
Bezirks ist gleichfalls gegeben, da zum Beispiel
in Djoko-Punda und in Tshikapa die Glossina
palpalis häufiger auftritt.
Malaria ist ganz allgemein verbreitet. Ein
großer Teil der Kindersterblichkeit ist auf diese
Krankheit zurückzuführen. Auch Lepra herrscht im
Bezirk. Nach den Beobachtungen des Missions-
arztes in Luebo ist diese Krankheit in bedenklicher
Weise im Zunehmen begriffen. Amöbendysenterie
ist verhältnismäßig selten, Bazillendysenterie da-
gegen häufiger, namentlich auf den Verwaltungs-
posten und besonders zu Beginn der Regenzeit.
Pocken herrschten im Jahre 1914 im Westen und
Osten des Bezirks. Große Epidemien waren in
den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Ge-
schlechtskrankheiten sind in diesem europäischem
und arabischem Einfluß bisher wenig zugänglich
gewesenen Bezirk recht selten, doch treten auch
Syphilis und Frombösie in einzelnen Fällen auf.
Im großen und ganzen läßt sich daher sagen,
daß der Bezirk zwar von allen Seiten von allen
möglichen Krankheiten bedroht ist, daß aber dank
der besonderen natürlichen Verhältnisse: dem
Fehlen der Insekten, den guten Wasserverhält-
nissen, der Abgeschlossenheit großer Teile des
Bezirks gegen äußere Einflüsse, der Gesundheits-
zustand der Eingeborenen noch relativ gut ist.
Gerade die Abgeschlossenheit wird sich aber auf
die Dauer nicht aufrecht erhalten lassen, und die
Gefahr der Verseuchung des heute noch so reich
bevölkerten Bezirks steigert sich von Jahr zu Jahr.
Leider tragen die Maßnahmen der Regierung
diesen Umständen in keiner Weise Rechnung.
Obwohl es dank der verhältnismäßig günstigen
Bedingungen leicht wäre, dieses große Bevölke-
rungsreservoir zu schützen, sind die bisherigen
Maßnahmen der Regierung zum Schutze der Ein-
geborenen gänzlich unzulänglich: Für den großen
Bezirk gibt es nur einen einzigen Regierungsarzt,
dem in erster Linie die Pflege der Beamten ob-
liegt und der naturgemäß schon durch die not-
wendigen Reisen von einem Posten zum andern
einen großen Teil seiner schon übermäßig in An-
spruch genommenen Zeit verliert. Irgendein
Regierungskrankenhaus gibt es im ganzen Bezirk
bisher nicht. In dieser Beziehung hat die Re-
gierung die ganze Verantwortung den Missions-
und Gesellschaftsärzten überlassen, und wenn sich
diese Herren auch in bereitwilligster Weise in den
Dienst der Allgemeinheit stellen, so bleiben sie
naturgemäß doch stets an bestimmte Plätze ge-
bunden und können unmöglich die Regierungs-
ärzte ersetzen.
An Privatärzten waren vorhanden: ein Arzt
der amerikanischen Mission in Luebo. In seiner
Poliklinik für Farbige wurden täglich im Durch-
schnitt 125 Kranke behandelt, die höchste Kranken-
ziffer an einem Tage war bisher 184 gewesen.
In einem besonderen Lager erfolgt die Behand-
lung der Schlafkranken. Es wurde Atoxyl in
Dosen bis zu 1g pro Tag und Arsenici Sulfi-
dium drei= bis viermal pro Tag in Dosen von
1 bis 7 g gegeben. Der Arzt glaubte bei 20 Per-
sonen dauernde Heilerfolge verzeichnen zu können.
Die Mission plant jetzt die Einrichtung eines
Krankenhauses, für das ihr von mildtätiger Seite
die Mittel zur Verfügung gestellt sind. Auch die
Société Internationale Forestière et Minidre
du Congo hat in ihrem Hauptlager in Tshikapa
für die Behandlung ihrer Angestellten und ihrer
Arbeiter einen Arzt, der sich aber ebenfalls nach
Bedarf jedes andern Kranken annimmt. Die
Huileries du Congo haben ebenfalls für ihre
Niederlassung in Brabanta einen Arzt vorgesehen,
doch war dieser im Sommer 1914 noch nicht dort.
Auch die katholische Mission widmet sich in ge-
wissem Umfange der Krankenpflege. An jeder
Station behandelt einer der Patres die Kranken
der Mission und die zu ihr kommenden Eingebo-
renen der Umgegend. Bei der im Jahre 1914
drohenden Pockenepidemie wurden Impfungen in
großem Maßstabe von den Patres vorgenommen.
In der Nähe der Station St. Joseph hatte die
Mission ein Schlafkrankenlager eingerichtet. Die
Regierung hatte der Mission für diese Zwecke
100 000 Fr. zur Verfügung gestellt. Es waren
24 kleine Häuschen erbaut worden, in denen die
Schwerkranken der Gegend, die sich auf der Station
einfanden, untergebracht wurden. Es fand auch
in gewissem Umfang eine Behandlung der Kranken
mit Arzneimitteln statt, doch war nach dem Gut-
achten des Regierungsarztes dieses Lager nur ein
Isolierungslager zur Verminderung der Infektions--
gefahr, eine Behandlung nach wissenschaftlichen
Grundsätzen fand bei diesen schon hoffnungslos
Kranken nicht statt. Das Hospital hatte schon
Belegziffern bis zu 750 Kranken im Jahr gehabt,
die Belegstärke im Sommer 1914 war 120.
Auffallend im Bezirk ist die große Zahl der
Kinder. Fast in allen Dörfern wimmelt es von
Kindern in allen Lebensaltern. Als Grund wurde
hierfür neben dem seltenen Vorkommen der Ge-
schlechtskrankheiten die Sitte einzelner Stämme
angegeben, den Eltern einer Frau bei der Heirat
erst einen Teilbetrag des Brautgeldes und weitere
Beträge mit jedem von der Frau geborenen Kinde
zu zahlen. Die Opfer, die die Malaria und