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Lado und der Enklave würde erst stattzufinden
haben, wenn der Schiedsspruch zugunsten Eng-
lands ausgefallen sei. Falls er für den Kongo-
staat sich ausspreche, werde die Räumung erst
dann stattzufinden haben, falls eine Verständigung
über die erwähnte anderweitige Kompensation er-
reicht sei.
Diese Forderung oiner schiedsgerichtlichen Ent-
scheidung erklärte eine englische Note vom 22. Ok-
tober für absolut unannehmbar und seien die Ver-
handlungen, wenn der Kongostaat auf ihr verharre,
als gescheitert anzusehen. Van Eetvelde erklärte
am 3. Dezember 1903, daß der Kongostaat nicht
den Wunsch gehabt habe, das Abkommen von
1894 geändert zu sehen. Nur aus Entgegen-
kommen gegenüber England habe er in die Ver-
handlungen eingewilligt. Bei der ablehnenden
Haltung der englischen Regierung gegen ein
Schiedsgericht würde er nunmehr seine Lage und
sein Recht als durch das Abkommen von 1894
definiert betrachten. Schon hätten die Behörden
im Sudan damit begonnen, im Ghazalgebiet will-
kürlich die Handlungen der kongolesischen Ver-
treter zu hemmen. Der Kongostaat sehe sich daher
genötigt, da ein Teil des Pachtgebietes in das
konventionelle Kongobecken falle (bis 5°% nördl. Br.),
für das die Berliner Akte Geltung habe, im Falle
eines ernsten Zwistes die Vermittlung einer oder
mehrerer befreundeter Mächte anzurufen.
Lemaire, im Frühjahr 1903 an der Kongo-
Nil-Wasserscheide angekommen, errichtete nahe der
Quelle des Dei zunächst die Depotstation Yei und
begann dann sofort mit der Erforschung des Yei-
flusses und seiner Nachbargebiete im Osten. Er
berichtete, daß nach seiner Meinung nicht der
Fluß, sondern dessen östliche Wasserscheide gegen
die kleinen Nebenflüsse des Nil die Grenze bilden
müsse. Bilde der Yei selbst die Grenze, würde
die Bevölkerung seines linken Ufers auf das rechte
Ufer auswandern. Die Engländer würden dann
dasselbe Prinzip verfolgen, wie am Nil, wo sie
von der Bevölkerung nichts verlangen, um sie
auf ihr Gebiet zu ziehen. Das gut bevölkerte
Yei-Tal bilde die Kornkammer des Nil für
Redjaf, Lado, Kero usw. Habe man das Yei-
Tal nicht ganz im Besitz, so werde dessen Be-
völkerung, zum mindesten die auf dem linken Ufer,
ein Opfer der Einfälle der Asande-Stämme am
Meridi werden. Zwischen beiden parallel nach
Norden fließenden Gewässern liege, wie das
öfters in Afrika zu beobachten sei, wenn sich
ethnographisch verschiedene Volksgruppen vonein-
ander trennen wollen, eine etwa 100 km breite,
von Süd nach Nord verlaufende menschenleere
Wildnis. -
Lemaire gründete am Yei mehrere Stationen
und drang im Dezember 1903 nach Norden bis
Rumbek.
zum Jalo vor, wo er an den Moolofällen unter
6° 3° n. Br. die Station Rapides Strauch gründete.
Hier erschien am 3. Dezember an der Spitze von
400 Mann der englische Offizier Poole aus
Dieser drückte Lemaire sein Erstaunen
aus, daß der Mudir des Ghazalgebietes nicht
offiziell von der Aussendung der Expedition benach-
richtigt sei, und warnte ihn, weiter nach Norden
vorzudringen. Lemaire betonte den wissenschaft-
lichen Charakter seiner Mission, die Verträge ge-
statteten der Expedition, sich frei in dem Pachtgebiet
äu bewegen, und außerdem erfordere der Schutz
der Eingeborenen vor den Einfällen der Ma-
krakrastämme am Meridi die Anlage der Stationen.
Die sofort von den Vorgängen benachrichtigte
englische Regierung erhob am 25. Februar 1904
in Brüssel Protest gegen die Anwesenheit einer
bewaffneten sogenannten wissenschaftlichen Expe-
dition im Bahr el Ghazalgebiet und forderte die
sofortige Zurückziehung der Expedition aus dem
Gebiet des Sudan. ·
Nach einem eigenhändigen Entwurf des Königs
wurde die englische Note am 11. März 1904 von
Cuvelier, wie folgt, beantwortet:
Monsieur le Ministre
En réponse à la communication de V. E.
du 25 février relative à la mission du Com.
Lemaire j'ai Vhonneur d’appeler Son attention
sur Harticle II de l’arrangement du 12 mai 1894
par lequel la Grande Bretagne donne à bail à
S. M. le Roi-Souverain les territoires qu'y sont
déterminés, notamment ceux on se trouverait
cette mission. Les négociations qui se sont
PDoursuivies depuis deux ans dans le but de
modifier cet acte ayant é61é rompues sur les
bases étudices jusqufici Iarrangement de
1894 conserve toute sa valeur légale
jusqu's ce qu’il ait été régulièrement
remplacc par un nouvel accord entre les
Parties, accord en vue duqucl, le Gouverne-
ment anglais ne P’ignore pas, nous restons preét
en ce qui nous concerne, à rechercher avec lui
d’équitables éGléments.
Anfang Jannar 1904 mußte Lemaire berichten,
daß sein Versuch, von der Jalo-Station weiter
nach Nordwesten vorzudringen, fehlgeschlagen sei,
weil er von den unter englischem Druck stehenden
Eingeborenen keine Lebensmittel habe erwerben
können und die eingeschüchterten Träger desertiert
wären. Außerdem drohe die neue Regenzeit.
Unter dem Zwang dieser Verhältnisse sah man
sich in Brüssel veranlaßt, Lemaire am 14. März
1904 neue Instruktionen zu senden. Er wurde
angewiesen, alle Posten nördlich vom 5. Grad
nördl. Br. zu räumen und sich auf das Gebiet
südlich von diesem Parallel zurückzuziehen.