Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVII. Jahrgang, 1916. (27)

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Seine Durchlaucht glauben aus diesen an- 
scheinenden Widerspruch aufmerksam machen zu 
sollen, da derselbe möglicherweise den beiden 
interessierten Mächten Anlaß zu Zweifeln und 
Reklamationen geben könnte. 
Im übrigen hat sich der Herr Reichskanzler 
mit der Fassung der übersandten Entwürfe ein- 
verstanden erklärt. 
Indem ich erhaltenem Auftrage gemäß die 
Ehre habe, der Königlichen Regierung von Vor- 
stehendem ergebenst Mitteilung zu machen, be- 
nutze ich usw. 
ez.: Beust. 
Seiner Exzellenz dem Prinzen von Caraman 
usw., Brüssel. 
Wie man sieht, betonte diese Note ausdrücklich, 
daß Deutschland keinen Einspruch gegen die wei- 
tergehenden Zugeständnisse erheben wolle, die 
der französische Vertrag im Vergleich zu dem 
deutschen der Association gewähre. Von einer 
lberschreitung dieser Zugeständnisse war nur in- 
sofern die Rede, als die deutsche Regierung nichts 
dagegen einzuwenden hatte, wenn die Grenze 
mitten durch den Tanganjika= und Moero-See 
gelegt werde. Das war ein Zugeständnis ohne 
wesentliche praktische Bedeutung. Weiter als der 
französische Vertrag ging, wollte, wie die Berufung 
auf die Verträge zeigt, die deutsche Note auf 
keinen Fall gehen. 
Zu der willkürlichen Anderung, die in dem 
Notifikationsentwurf an der Grenzführung nördlich 
vom Tanganjika vorgenommen war, äußerte sich 
das Gutachten nicht. Es hat später, als der 
Grenzstreit mit dem Kongostaat begann, nicht mehr 
ermittelt werden können, von welchen Gesichts- 
punkten die beiden mit der Prüfung der Ange- 
legenheit betraut gewesenen Beamten sich haben 
leiten lassen, als lie die gerade Linie als Ersatz 
sahen, und sie diese Abänderung unbeanstandet 
ließen. Denn sie waren damals beide bereits aus 
dem Leben geschieden. Verschiedene Gründe können 
es gewesen sein, die sie seinerzeit zu dieser Nicht- 
stellungnahme veranlaßten. Zunächst ist wohl zu 
beachten, daß das Gebiet nördlich vom Tanganjika 
damals im Gegensatz zu der beanstandeten kleinen 
Grenzstelle am Chiloango, wo portugiesischer und 
französischer Besitz vom Kongostaat zu berücksichtigen 
waren, herrenloses Gebiet darstellte, bei dem eine 
anscheinend kleine und geringfügige Abweichung 
von der durch den französischen Vertrag gegebenen 
Norm nicht in Betracht zu kommen und eine 
präzisere Form der Grenzbeschreibung als der 
Hinweis auf einen hypothetischen Flußlauf im 
Interesse der Deutlichkeit und Kürze des Textes 
der Notifikation vielleicht statthaft schien. In der 
  
Tat fiel ja nach dem damaligen Standpunkt der 
Kartographie dieses Gebietes, besonders auf der 
Friederichsen’schen Karte, die bei der Nachprüfung 
allein als Unterlage gedient hatte, durch ein 
Spiel des Zufalls die gerade Linie mit dem auf 
der Karte zum französischen Vertrag vom 5. Fe- 
bruar 1885 eingetragenen Grenzverlauf nahezu 
zusammen. (Vgl. Karte Nr. 4.) Andererseits 
können auch Rücksichten auf den Reichskanzler, 
dessen Gesundheit durch die starke Mehrbelastung 
mit Arbeit, die die Kongokonferenz ihm gebracht 
hatte, stark gelitten hatte, maßgebend gewesen sein. 
Es handelte sich, auf der Friederichsen'schen Karte 
betrachtet, anscheinend um eine Kleinigkeit. Gegen- 
über dem ungeheuren Gebietszuwachs, den der 
französische Vertrag dem Kongostaat im Quellgebiet 
des Kongo brachte und den Deutschland anzuer- 
kennen bereit war, konnte sie als fast verschwindend 
betrachtet werden. Ging man von einem solchen 
Gesichtspunkt aus, so mochte diese anscheinend 
kleine Unregelmäßigkeit keinen Anlaß bieten, ihret- 
halben die Erledigung der Sache aufzuhalten und 
den Kanzler zu veranlassen, sich erneut mit ihr 
zu befassen. 
Die am 1. August 1885 den Mächten notifi- 
zierte Neutralitätserklärung des Kongostaates 
wurde am 25. August durch eine deutsche Note 
ratifiziert, in der es hieß: = M. van Eetvelde a 
bien voulu ajouter à cette communication due 
le régime de la neutralité s'appliquera au terri- 
toire de I’Etat Indép. du Congo, renfermé dans 
les limites qui résultent des traités successive- 
ment conclus par I’Association Internationale 
avee I’Allemagne, la France et le Portugal, 
traités notilics à la Conférence de Berlin et 
annesés à leurs protocoles, ces limites étant 
déterminées au nord, à l’est, au sud et à 
T’ouest de la manière, indiquée amplement dans 
la note du Il. courant 
Hiermit erschien die Angelegenheit erledigt. 
Eine Reihe von Jahren verging, ehe Europäer 
überhaupt in das Grenzgebiet nördlich vom Tan- 
ganjika zum erstenmal vordrangen. 
Die Kolonialverwaltung, die zu der Zeit, in 
der die vorerwähnten diplomatischen Verhand- 
lungen sich abspielten, noch nicht ins Leben ge- 
treten war, mußte natürlich die Neutralitätserklä- 
rung als eine bestehende Tatsache hinnehmen. 
Daher kam es, daß im Laufe der folgenden Jahre 
von ihr aus Mitteilungen und Noten nach Brüssel 
ergingen, in denen die geradlinige Grenze im 
Norden des Tanganjika als zu Recht bestehend 
anerkannt wurde. Dies war besonders bei Ge- 
legenheit einer neuen Neutralitätserklärung der 
Fall, die der Kongostaat am 18. Dezember 1894 
ergehen ließ. Denn in der Zwischenzeit hatte 
sein Gebiet durch weitere, mit Frankreich, Portugal
	        
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