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8. November 1884 und vom 5. Februar 1885,
die bis dahin völlig unverständlich gewesen war.
Es erklärte sich damit auch, wie die belgische Re-
gierung dazu gekommen war, auf einer dem
Parlament bei Gelegenheit der Verhandlungen
über die Annexion des Kongostaates im Jahre
1895 vorgelegten Karte den Ausgangspunkt der
geraden Grenzlinie auf 17 40“ südl. Br. anzusetzen.
Von Berlin amtlich auf diese Anderung aufmerksam
gemacht, führte die Kongoregierung die Sache
auf ein Versehen zurück.
Auf Antrag von Sir Arthur Hardinge beschloß
die Kommission, die belgische Regierung zu bitten,
die vorgelegten Vertragskarten photographieren
zu lassen, um den beteiligten Regierungen einen
klaren Einblick in die aufgefundenen Differenzen
der Karten zu gewähren.
Nach diesen merkwürdigen Erfahrungen mit
der Zuverlässigkeit der amtlichen Angaben der
Kongoregierung in urkundlichen kartographischen
Angelegenheiten mußte natürlich bei den deutschen
Kommissaren der lebhafte Wunsch entstehen, diesen
dunkeln Dingen weiter auf den Grund zu gehen
und einen Einblick in die in Paris ruhende Karte
zu dem französisch-kongolesischen Vertrag vom
5. Febrnar 1885 zu erlangen. Auf ihren Antrag
wurde beschlossen, umgehend ein deutsches sowie
ein belgisches Mitglied der Kommission dorthin
zu entsenden, um durch Vermittlung der dortigen
amtlichen Vertreter beider Länder beim Ministerium
der Auswärtigen Angelegenheiten die dort ver-
wahrte Karte einsehen zu können.
Am Quai d'Orsay konnte man zunächst die
Karte überhaupt nicht auffinden. Schließlich wurde
eine alte, nicht beglaubigte Kopie derselben ge-
bracht, die allerdings mit der in Brüssel befind-
lichen Karte im wesentlichen übereinstimmte, aber
eben nur nicht die gewünschte, beglaubigte Original-
karte war. Der alte Herr Desbuissons war längst
aus dem Amt geschieden und verstorben, sein
Neffe und Amtsnachfolger konnte über die von
seinem Onkel angefertigte Karte keine Auskunft
geben. Das Original der Vertragskarte wurde
schließlich als in Berlin in der dortigen fran-
zösischen Botschaft befindlich vermutet und Nach-
forschungen in Aussicht gestellt. Am 9. März be-
richtete der belgische Geschäftsträger in Paris
über die Angelegenheit wie folgt:
Monsieur le Ministre,
Comme suite à mon töélégramme du 28 fé-
Vrier dernier, No. 11, jJ#ai P’honneur de porter
à votre connaissance, d’après ce qui m’'ta été
dit au Quai d'Orsay, due l’Ambassade de
France à Berlin a fait savoir à M. Pichon
du’'elle ne possédait plus la carte du Congo,
dui devait étre annexée au traité du 5 février
885, attendu due celle-ei avait é6té renvoyce
à Paris. Au Ministère des Affaires Etrangeères
elle n'a pas été retrouvée et on ne trouve pas
de mention de cette restitution. On en con-
clut donc, sans pouvoir, bien entendu, l’affirmer,
due la carte montrée à M. de Bassompierre et
au délégué allemand peut étre considérée comme
la carte originale.
Ce qui justifie cette supposition, c'est que
cette carte porte au crayon le mot „Berline.
Ce serait celle qui aurait éCt6 communiquée
à .Ambassade de France en Allemagne.
Veuillez agrber
(s.) Arschot.
Monsieur Davignon,
Ministre des Affaires Etrangeres.
Bruxelles.
Daß das in Paris den Delegierten gezeigte
Exemplar die Originalkarte des Vertrages dar-
stelle, war natürlich eine ganz unglaubliche Er-
klärung, da sie in diesem Falle doch Unterschrift
und Beglanbigung hätte aufweisen müssen. Die
Bleistiftnotiz „Berlin“, welche diese Karte auf-
wies, ließ sich ebenso gut dahin deuten, daß sie
erkenntlich machen sollte, in welcher Form die
Karte bzw. der französisch-kongolesische Vertrag
seinerzeit dem Auswärtigen Amt in Berlin mit-
geteilt worden war. Es blieb eben Tatsache, daß
die Originalkarte verschwunden war. Cui bono?
Jeder Kommentar erübrigt sich!
Die deutschen Kommissare reisten zur Bericht-
erstattung nach Berlin. Nach ihrem Wiederein-
treffen in Brüssel wurde die belgische Regierung
unter der Hand von ihnen davon verständigt,
daß die Kaiserliche Regierung der Ansicht sei, daß
die am 21. Juli 1885 dem Prinzen von Caraman
übermittelte Einverständniserklärung zu der ihr
im Entwurf vorgelegten Neutralitätserklärung des
neuen Staates, soweit es sich um dessen Grenzen
handelte, auf kartographischen Unterlagen beruhe,
die erwiesenermaßen mit den originalen Vertrags-
karten nicht übereinstimmten. „Diese unrichtigen
Unterlagen sind von der Asscciation Internatio-
nale, der Rechtsvorgängerin des Kongostaates und
nunmehr auch der belgischen Regierung vorgelegt
worden. Die beiden letzteren haben daher den
durch diese nurichtigen Unterlagen hervorgerufenen
Irrtum zu vertreten, sie dürfen deshalb auch nach
dem Grundsatz von Treu und Glauben aus diesem
von ihrer Rechtsvorgängerin hervorgerufenen
Irrtum keinen territorialen Vorteil ziehen. Die
Unrichtigkeit dieser von der Association der Kaiser-
lichen Regierung unterbreiteten kartographischen
Unterlagen ist erst jetzt voll erkannt worden. Der
hierdurch hervorgerufene Irrtum konnte daher
auch nicht früher geltend gemacht werden.