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Truppe, glücklicherweise ohne Schaden anzu-
richten. Die Salven lagen alle zu hoch. Unsere
Abteilung entwickelte sich mit größter Beschleuni-
gung, ging in Stellung und eröffnete das Feuer.
Das Gefecht entwickelte sich bald zu größter
Heftigkeit. Das außerordentlich unübersichtliche
Gelände mit seinem dichten Dorn= und Mo-
panebusch, vielen Termitenhügeln, mächtigen
Affenbrotbäumen und zahlreichen Eingeborenen-
hütten machte die einheitliche Führung des
Angriffs fast unmöglich. Daher teilte sich die
anfänglich einheitlich angesetzte Front bald in
einzelne Kampfgruppen, die unter ihren Unter-
führern mehr oder weniger selbständig kämpften.
Vom Fort war noch nichts zu sehen. Der
Gefechtslärm nahm immer mehr zu. Rücksichts-
los gingen die Züge der 6. Kompagnie an den
Feind heran, die Geschütze mußten, um nicht
Gefahr zu laufen, bei dem unübersichtlichen
Gelände in die eigene Linie zu schießen, ihnen fast
auf dem Fuße folgen. Noch leistete der Gegner
heftigen Widerstand. Unser Angriff schritt vor-
wärts. Das Feuer einer feindlichen Gebirgs-
batterie war schwach und wirkungslos und bald
verstummt. Ein Zug unter Hauptmann Weiß
hatte sich in kurzer Zeit bis auf 100 m an
das Fort, das jetzt von der Batteriestellung
aus auf etwa 800 m halbrechts vorwärts sicht-
bar wurde, nicht ohne Verluste herangearbeitet
und lag fest. Unsere Batterie hatte inzwischen
mit einem Volltreffer das portugiesische Muni-
tionslager zur Explosion gebracht. Der auf
100 m am Feinde liegende Infanteriezug litt
schwer, Hilfe war dringend nötig. Ein zu
seiner Unterstützung bereits vorgeschicktes und
dicht hinter seiner Linie in Stellung gegangenes
Gebirgsgeschütz hatte sich bald bis auf sechs
Schuß verschossen, als der Rest der Batterie,
drei Geschütze, ebenfalls hier in Stellung ging
und so die ersehnte Hilfe brachte. Beim Vor-
gehen hatten ihr die Mozambique-Askaris und
eingeborenen Hilfskrieger durch das Feuer, das
sie aus ihren über das ganze Gefechtsfeld zer-
streut liegenden zahlreichen Pontocks auf sie
abgaben, böse mitgespielt. Auf dem linken
Flügel stand das Gefecht günstig. Auf dem
rechten Flügel traten in der letzten Stellung,
100 m vor dem Fort, empfindliche Verluste
ein. Die in den dichtbelaubten Kronen der
mächtigen Affenbrotbäume sich völlig unsichtbar
versteckt haltenden Mozambique-Askaris gaben
gut gezielte Schüsse aus nächster Entfernung
ab. Außer beträchtlichen Verlusten an Unter-
offizieren und Mannschaften fielen hier vier
Offiziere, mehr oder weniger schwer verwundet,
aus. Major Franke selbst erhielt einen Schuß,
der steil von oben aus einer Baumkrone das
Gesicht und die linke Schulter traf. Er gab
die Führung an Hauptmann Trainer ab und
befahl zu stürmen. Die Lage war ernst ge-
worden. Auf unserem linken Flügel, der dem
Gegner in seinen durch Dornbusch und Draht-
verhau verstärkten Schützengraben arg zugesetzt
hatte, war unterdessen als letzter verzweifelter
Versuch der Portugiesen eine Attacke der Schwa-
dron Angola-Dragoner in unserem Maschinen-
gewehrfeuer erstickt. In dieser Zeit drangen
Hauptmann Weiß und Leutnant der Reserve
Bieder an der Spitze von 28 Mann — alles
was zur Hand war —, mit aufgepflanztem
Bajonett durch den noch unversehrten Dorn-
buschverhau in das Fort ein, in dem der schwer
erschütterte Gegner keinen nennenswerten Wider=
stand mehr leistete. Vier Stunden hatte das
Gefecht gedauert. Der errungene Erfolg war
ein vollständiger Sieg.
Die 2. Kompagnie, die den Angriff hatte
eröffnen sollen, war in ihrem Vormarsch durch
das schwierige Gelände am Kunene sowie durch
am Ufer verborgene feindliche Abteilungen, mit
denen sie in kleinere Gefechte verwickelt wurde,
derart aufgehalten worden, daß sie erst beim
Fort eintraf, als es bereits genommen war.
Unsere Streitmacht betrug alles in allem
rund 350 Mann mit 4 Maschinengewehren
und 6 leichten Geschützen. Unsere Verluste
waren 11 Tote, 22 mehr oder weniger schwer
Verwundete, darunter 6 Offiziere. Die Stärke
des Feindes soll sich auf 1200 bis 1300 Mann
belaufen haben. Er verlor: etwa 150 Tote,
darunter 3 Offiziere, 29 Schwerverwundete,
37 unverwundete Gefangene. Ferner ließen
die Portugiesen ein Maschinengewehr, Munition,
einige Pferde und Maultiere zurück."
Die Niederlage der Portugiesen, die in kopf-
lose Flucht ausartete, machten sich ihre eigenen
Ovambostämme in vollstem Maße zunutze, indem
sie die Verfolgung aufnahmen und jeden Portu-
giesen, dessen sie habhaft werden konnten, um-
brachten.
Unsere Ovambostämme, denen durch ihren
Missionar Toenjes der Zweck unseres Marsches
durch ihr Gebiet auseinandergesetzt war, und
denen die Bestrafung der Mörder nichts weniger
als gerecht erschien, verhielten sich friedlich und
ruhig.
Die portugiesischen Berichte über die Er-
stürmung Naulilas stimmen im allgemeinen hiermit
überein. Nur wird die Stärke unserer Truppen
maßlos überschätzt. Oberst Rocadas nennt in
seinem offiziellen Bericht einen der Gründe der
Niederlage: „Überlegenheit des Angreifers an
Truppen, Artillerie und Maschinengewehren.“