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2.
Vermischtes.
Geschichte der „Lehranstalt für internierte Kolonlal-
Deutsche“ in Davos.
Die Zahl der in der Schweiz internierten Kolonial=
Deutschen hatte Mitte des Jahres 1917 eine beträcht-
liche Höhe erreicht. Zur Bearbeitung ihren Ungelene)n
heiten war bei der Deutschen Gesandtschaft in Bern,
Abteilung für Gefangenenfragen, ein besonderes Referat
eingerichtet worden. Ein großer Teil der Kolonial=
Deutschen war wegen Malaria hospitalisiert. Die Art
dieser Erkrankung brachte es mit sich, daß die meisten
der Betroffenen in ihrer fieberfreien Zeit arbeitsfähig
waren; ein Umstand, der sich in dem regen Wunsche
nach geistiger Weiterbildung auf kolonialem Gebiete
äußerle. Um diesem Wunsche zu genügen, hatte das
Reichs = Kolonialamt der Gesondtschaft bereits eine
große Sammlung kolonialer Werke zur Verteilung
horowiesen. Das geistige Bedürfnis ging aber weiter,
wie immer neue, bei der Gesandtschaft einlaufende
Bitten um Uberlassung von wissenschaftlichen Werken
und um Zulassung zu Universität und Schulen be-
wiesen. Eine Weiterbildung besonders auf kolonialem
Gebiete konnten aber die Schweizer Lehranstalten
naturgemäß nicht gewähren. Es wurde daher Mitte
September der Vorschlag gemacht, in Davos, das
wegen seiner Höhenlage für den Aufenthalt von
alaria-Kranken besonders geeignet erschien, eine
koloniale Lehranstalt zu errichten. Diese Lehranstalt
soll den aus den verschiedenen Schutzgebieten stam-
menden Kolonial-Deutschen Gelegenheit zum Austausch
ihrer praktischen Erfahrungen und zur theoretischen
Weiterbildung geben und zugleich der deutschen Kolonial-
verwaltung kolonial durchgebildete und gesundheitlich
gut erfrischte Männer für die koloniale Tätigkeit nach
dem Kriege zur Verfügung stellen.
Mit Unterstützung des Reichs-Kolonialamts und
Genehmigung der Schweizer Behörden erhielt der
Plan dann seste Gestalt. Die Schweizer Internierungs-
behörden, insbesondere Oberst Nienhaus und Haupt-
mann Seiler, haben zur Durchführung des Planes
wesentlich beigetragen. Als Unterkunft wurde das
hänttig gelegene Sanatorium „Scehof“" in Davos-
Dorf zur Verfügung gestellt, in dem die meisten Teil-
nehmer zugleich Wohnung erhalten haben. Das Sana-
torium verfügt über etwa 120 Betten und große
Gesellschaftszimmer, die als Vortrags- und Unterrichts-
räume verwendet werden. Am 4. November wurde
die Anstalt mit 84 Teilnehmern in Gegenwart von
Vertretern des Reichs= Kolonialamts, der Deutschen
Gesandischaft in Bern, der Schweizer Internierungs=
behörden und der deutschen Kolonie Davos erössnet.
Die Vormittage werden durch Vorträge über koloniale
Gegenstände von allgemeiner Bedeutung ausgefüllt,
an denen alle Hörer teilnehmen, während an den
Nachmittagen Sondernnterricht und sportliche llbungen
stattfinden. Entsprechend der Eigenart der Anstalt be-
steht eine strrenge Scheidung zwischen Vortragenden
und Hörern nicht. Der Vortragende des einen Faches
ist zugleich Hörer des anderen.
Zur Zeit werden folgende, regelmäßigen Vor-
träge mit je 1 bis 2 Wochenstunden gehalten:
Deutsche Weltpolitik (Leutnant Laverrenz. Regie-
rungs= und Baurat aus Togo). Kolonialgeschichte
(Oberleutnant Sitzler aus Kamerun), Erdkunde
Afrikas (Migefeldwebel Dr. phil. et jur. Kreukel,
Privatdozent an der Universität Leipzig, zuletzt in
Deutsch-Ostafrika), Kolonialverfassung und Ver-
waltung (Leutnant Stange, kommiss. Bezirksamtmann
aus Togo), Kolonialrecht (Leutnant Schmidt, Rechts-
auwalt aus Kamerun), Koloniales Bank- und
Finanzwesen (Offizierstellvertreter Tappert, Bank-
beamter), Koloniale Landwirtschaft (Leutnant
Luckhardt, Pflanzungsbesitzer aus Kamernn, Vize-
feldwebel Lehmann, Pflangungsbesitzer aus Deutsch-
Ostafrika, Sanitätssoldat Hammerstein. Pflanzungs-
besitzer aus Deutsch-Ostafrika, Koloniale Viehzucht
(Beterinär Püttmann, Regierungstierarzt aus Kamerun),
Koloniales Forstwesen (eutnant Schuppius, Forst-
assessor aus Togo), Koloniales Verkehrswesen
(Leutnaut Laverrenz), Kolonialhandel (Leutnant
Gloede, Generalvertreter der Woermann-Linie in
Lagos), Vermessungswesen (lUnteroffizier Stock-
hardt, Regierungslandmesser aus Kamerunf, Geologie
(Vizefeldwebel Dr. Krenkel), Missionsgeschichte
(Hofmann, Pfarrer), Tropenhygiene (ür. mel. Kerld).
Gelegentliche kürzere Vortragsreihen aus
den Teilnehmerkreisen wurden, wie folgt, gelesen: „Er-
fahrungen in englischen K Kolonien“ (Unteroffizier
Brodersen. früher in Britisch-Indien, Rhodesien und
Britisch-O stafrika, zuletzt in Deutsch- Ostafrila, „Re-
ligiöse Vorstellungen der Eingeborenen"
(W#gefreiwiliger Sommer, Missionar aus Togo),
„Nutgen und Schaden der ostafrikanischen Tier-
welt“ (Sanitätssoldat Hammerstein, Pflanzungs-
besitzer aus Deutsch-Ostafrika). Durch diese gelegent-
lichen Vorträge soll jedem Gelegenheit gegeben werden,
seine auf einem Sondergebiete gesammelten Erfahrungen
der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die Ein-
richtung hat lebhaften Anklang gefunden und wird
weitergeführt werden. Von vorübergehend Anwesenden
wurden folgende Vortragsreihen gehalten: „Welt-
verkehr und Weltwirtschaft" (Oberieutnant
Dr. Roscher, Postinspektor aus Togo), „Vulkane in
Italien, Südsee. Japan und anderen Ländern“
(Immannel Friedlaender, Gründer und Leiter des
vulkanologischen Instituts in Neapel), „Die Ein-
geborenenfrage nach den Erfahrungen der
evangelischen Mission“, „Die deutsche Mission
unter den Wirkungen des Weltkrieges“ (Mis-
sionsdirektor l0. Dr. Axenfeld).
Außer diesen für die Allgemeinheit bestimmten
Vorträgen findet Sondernnterricht auf Grund be-
sonderer Meldungen statt in Englisch (Unteroffizier
Brodersen, Kaufmann), Frankzösisch (Untcroffigier
Berger, Telegraphenassistent), Kisuaheli (Soldat
Waltermann, Missionsangestellter aus Deutsch-Ost-
afrika), Türkisch (Dr. Misrachi, Rechtsanwalt aus
Konstantinopel), Buchführung (Westermann, Lui-
mann), Kurgschrift (Soldat Hanen, Lehrer), Ver-
messungsübungen im Gelände (1Unteroffizier
Stockhardt. Regierungslandmesser, Gefreiter Rosen-
thal, Landmesser). Fleischbeschau (Veterinär Pütt-
mann. Rehierungstierarz, Erste Hilfe bei Un-
glücksfällen (Dr. med. Möri, Anstaltsarzt!, Aus-
bildung im Gouvernemeniadbien (Hauptmann
Geisser aus Kamerun, Lentnant Stange, kommissarischer
Bezirksamtmann aus Togo, Leutnant Schmidt, Rechts-
anwalt aus Kamerun, Leutnant Binder, Gouverne-
mentssekretär aus Neuguinea, Unteroffizier Paulick,
Gonvernementssekretär aus Togo). Dieser onder=
unterricht ist durchweg gut besucht, so daß ein weiterer
Ausbau beabsichtigt ist. Einige Angehörige der Lehr-
anstalt machen gleichzelitig von den unter Leitung von
Direktor Dr. Bach in Davos bestehenden Unterrichts-
möglichkeiten Gebrauch.